Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
entgegenblies, nicht wegwehen.
    Diesmal hatte er beinahe eine ganze Woche freigehabt. Wenn er darauf bestehen würde, stünde ihm vermutlich mindestens ein Monat Urlaub zu. Doch ihm kam es jetzt schon vor wie ein Jahr. Sei’s drum, es war endlich vorbei, und er fuhr genau zum ersten von zwölf Schlägen der Rathausuhr durch das imposante Portal des Polizeipräsidiums von Mittel-Yorkshire. Er fühlte, wie sein Herz schneller oder zumindest heftiger pochte, kaum dass er den vertrauten Geruch nach Staub und Desinfektionsmitteln ausmachen konnte.
    Der letzte Zwölf-Uhr-Schlag ertönte, als er das Stockwerk der Kriminalabteilung erreichte. Im selben Moment trat eine wuchtige Gestalt aus einem Büro und dröhnte mit einer Stimme, die klang, als käme sie aus dem Mikrophon auf einer Sportveranstaltung: »Du lieber Gott, jemand hat an der Flasche gerieben und den Geist rausgelassen! Was glaubst du wohl, wie spät es ist, Sergeant?«
    Und Wield wusste, dass er wieder zu Hause war.
    »Auf die Minute genau mein Urlaubsende, Chef«, sagte er.
    »Urlaub? Ich hoffe, du hast mir einen langen, spitzen Stein mitgebracht, ich wüsste nämlich, wo ich ihn am liebsten reinstecken würde!«
    Ohne die Drohung persönlich zu nehmen, trat Wield vor, um dem Kripochef von Mittel-Yorkshire und Herrscher über allem, Detective-Superintendent Andrew Dalziel, seine Aufwartung zu machen.
    »Gibt’s Ärger, Chef?«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Du kennst Sergeant Filmer?«
    »Terry? Ja. Bezirks-Sergeant draußen in Byreford, nicht wahr?«
    »Genau der. Na ja, er meint, einer seiner Dorftrottel sei stiftengegangen.«
    Dorftrottel
stand in Dalziels persönlicher Nomenklatur für jeden Beamten in Uniform, der auf dem Lande stationiert war. Jahrzehntelang war es Usus gewesen, dass jedes größere Dorf einen ortsansässigen Polizisten bekam, der direkt dem Präsidium des nächstgelegenen Städtchens unterstellt war. Einsparungen, als Effizienzsteigerung deklariert, führten mittlerweile zu radikalen Veränderungen des Systems, so dass der Dorf-Bobby in nicht allzu ferner Zukunft vermutlich ganz von der Bildfläche verschwinden würde. Wield bedauerte wie die meisten Polizisten mit Grips den drohenden Niedergang dieser altehrwürdigen Institution. Das war Polizei zum Anfassen, gute Öffentlichkeitsarbeit und hatte den zusätzlichen Vorteil, dass es sich als Versuchsfeld anbot, auf dem vielversprechende junge Leute zeigen konnten, ob sie der Verantwortung gewachsen waren.
    »Wenn Sergeant Filmer sagt, dass er vermisst wird, dann wird es wohl so sein«, sagte Wield.
    »Meinst du? Die Sache ist nur, dass der Junge seinen freien Tag hat. Er hat sich gestern mittag ausgestempelt und muss erst morgen früh um acht wieder zum Dienst. Filmer ruft heute in aller Früh in der Polizeiwache an – er faselte was von einem Bericht, den er brauchte, aber ich glaube, er kann es nur nicht lassen, die Leute immer ein bisschen auf Trab zu bringen, ihnen ein bisschen auf die Zehen zu treten –, und es ist keiner da.«
    »Aber schließlich hatte er frei.«
    »Das ist Filmer völlig egal. Er geht mit seinem Nachschlüssel rein, schaut ins Schlafzimmer und stellt fest, dass das Bett unbenutzt ist.«
    »Dann wird er wohl früh aufgestanden sein und das Bett gemacht haben. Oder er hat für die Nacht was Besseres gefunden.«
    »Gegen die Vorschrift. Man schläft nicht auswärts, ohne die Wache zu informieren.«
    »Man hängt sich auch nicht mitten in der Nacht ans Telefon und sagt: ›Hey, Sarge, ich hab einen Glückstreffer gelandet‹, oder?«, sagte Wield.
    »Genauso hab ich reagiert. Aber nicht Filmer. Er geht an den Kleiderschrank. Wenn der Knabe wirklich einen Volltreffer gelandet hat, dann muss er in Uniform zu seinem Date gegangen sein, die ist nämlich nicht da. Dann guckt er sich den Wagen an. Der steht neben dem Haus, schlampig eingeparkt, nicht abgeschlossen, Flecken auf dem Beifahrersitz.«
    »Blutflecken?«
    »Erdbeermarmelade, wenn du mich fragst«, knurrte Dalziel. »Jetzt klingeln bei Filmer sämtliche Alarmglocken. Stellt diskrete Nachforschungen an, wie er sich ausdrückt. Ich höre ihn förmlich.
Hab ’n Polizisten verloren, hat ihn zufällig jemand gesehen?
«
    »Und hat ihn jemand gesehen?«
    »Nicht seit gestern nachmittag. Aber als erstes läuft ihm so ’n alter Idiot übern Weg, behauptet, er hätte unseren vermissten Dorftrottel gestern nachmittag so um fünf herum gesehen, wie er mit einem Hells Angel Zoff bekam …«
    »In Uniform oder

Weitere Kostenlose Bücher