Der Schreiber von Córdoba
an ihn.«
»Oh, großer und mächtiger Hafis«
(ich übertreibe bewusst),
»welches ist das kostbarere Geschenk –
das Buch oder der Dolch?«
Amir schließt die Augen
und öffnet eine Seite,
zeigt mit dem Finger auf eine Stelle.
Er spielt mit meiner Geduld.
Mal wieder!
Endlich liest er vor.
Wieder schmunzelt er.
Wie können dich zwei verschiedene Augen sehen, wie du bist?
Jedes wird nach seinem Verständnis sehen.
Das hat mir gerade noch gefehlt.
Noch mehr Antworten, die keine sind.
Silber
Hier ist eine Frage, die ich,
als ich das Wort Geschenk hörte,
völlig vergaß.
Für eine Weile.
Wie, wenn wir doch zu arm sind,
um unser Fleisch zu würzen,
konnte Papa Geschenke kaufen?
Mama sagt es mir.
Ein Mann in Toledo
kauft alle möglichen Sachen.
Papa hatte ihm etwas zu verkaufen –
einen Satz Pessach-Teller aus Silber.
Sie hatten seit Generationen
seiner Familie gehört.
Seine Mutter, meine Oma,
hatte sie ihm vermacht.
»Keine Sorge, Ramón«, sagt Mama.
»Es ist schon recht. Besser sind sie
bei seinem Freund aufgehoben, meinst du nicht?
All solche Dinge werden uns am Ende
ja doch abgenommen.«
Aber Papa – der dieses Silber
auf langen, einsamen Straßen
allein auf einem Maultier bei sich trug,
das so langsam geht, wie feuchter Sand rinnt!
Er hätte gefangen oder getötet werden können!
»Ich frage mich gerade …«
Sie unterbricht mich lächelnd.
»Am besten machst du schon mal ein paar Fingerübungen. Deine Hände
sind schlaff geworden, und jetzt fängt die Arbeit an.«
Ich erfahre bald, was sie meint.
Das Buch und das Messer
sind nicht die gesamte Ausbeute.
Er hat auch Papier mitgebracht –
so viel wie mein halbes Körpergewicht.
Silber (2)
Um die Wahrheit zu sagen
fühle ich mich, als sei ein Amboss,
der mir auf der Brust lag,
hochgehoben
und weit weggeworfen worden.
Diese Silberteller müssen es
gewesen sein, die Papa in diesem
Loch verstaut hatte.
Und sie sind weg!
Aber warum immer diese Kratzgeräusche?
Es ist klar, warum er sie versteckt hatte.
Menschen werden auf dem Scheiterhaufen verbrannt,
nur, weil sie solche Dinge besitzen.
Was ich nicht verstehe, ist,
warum er sie so oft
aus ihrem Versteck hervorgeholt hat.
Ging es um irgendein Ritual,
ein ketzerisches Gebet?
Aber was immer es war,
es ist vorbei.
Unbekannte Oma, vergib mir.
Die Teller waren vielleicht
kostbar für dich
und deine Erinnerung.
Aber ich bin froh, dass sie weg sind.
Bestellung
Diese Arbeit soll Papas
gefährliche Reise wert gewesen sein?
Das wunderbare, glatte Papier
kam zusammen mit einer Bestellung, die es füllen soll.
Ich sollte jubeln.
Es ist unser größter Auftrag
seit mehr als einem Jahr.
Einhundert Abschriften
von einem Buch, das sicher das langweiligste
im ganzen Königreich ist.
Es heißt – seid ihr bereit? –
Die einheimischen Pflanzen von Kastilien .
Früher war ich sauer,
wenn Amir an unserer
spärlichen Schreibarbeit teilhatte.
Jetzt denke ich anders.
Für diese Aufgabe
werde ich gerne jede Hilfe annehmen,
die ich bekommen kann.
Autodafé (2)
Diesmal ist es anders.
Es gibt kein Gerüst
auf dem gesteckt vollen Platz.
Keine gigantischen Puppen – als Ersatz
für die Männer, die sie nicht finden können –
hängen an einem Baum.
Diesmal
wird kein Fleisch verbrannt.
Das ist ein Autodafé
für verbrecherische Bücher.
Ein Versteck ist gefunden worden,
in den Wänden einer Mikwe –
eines alten jüdischen Ritualbades.
Bauleute rissen das Gebäude ab,
um Raum zu schaffen
für eine weitere Kirche.
Hunderte von Büchern werden zum Platz gekarrt,
Mönche schreien die Wagen an, als wären sie
böse kleine Buben.
Die Leute johlen und lachen laut
wie sonst auch immer.
Sie wollen ihre kalten Hände
an den Flammen des Feuers wärmen.
Aber es ist nichts lustig.
Aus den Haufen schimmert das Gold
alter Torarollen – und die Tora ist
das heiligste Buch der Juden.
Papas Gesicht ist wie aus Stein.
Aber da – eine leichte Bewegung
gleich unterhalb seiner Schulter.
Seine Tunika erzittert
von seinen Herzschlägen
wie ein Vorhang
in einem sanften, tödlichen Wind.
Partner
Als es Zeit für die Siesta ist,
ist meine Hand so verkrampft
von den Pflanzen von Kastilien ,
dass ich mir lieber die Augen ausstechen würde,
als noch Papier und Tinte anzurühren.
Papa und Amir
sehen die Dinge anders.
In jeder Siesta verziehen sie sich
in Papas Zimmer.
Um zu »üben«, wie sie
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