Der Schreiber von Córdoba
bringen,
aber ich würde es dennoch verstehen,
wenn Papa das gerne lernen würde.
Hebräisch hat mit uns zu tun,
mit unserer Herkunft.
Hat Papa das
so schnell vergessen?
Hört nur!
Sie sind wieder dabei.
Studieren. Lesen.
Reden Sprachsalat.
Mama bleibt auf, döst
am Feuer.
Ich ziehe mich zurück, aber ich höre sie.
Ihre Stimmen verursachen einen Knoten
ganz tief in meinem Bauch.
Ich fühle mich, als hätte ich einen ganzen Berg
Beeren verschlungen, überreif und verdorben.
Das Sklavenabzeichen
Wenn Amir und Papa am späten Abend
endlich die Arbeit beenden,
kommt Amir zum Schlafen in mein Zimmer.
Schlafen Sklaven denn sonst nicht
auf der Treppe, oder so was?
Nicht, dass er schnarchen würde.
Er ist vielmehr fast zu leise.
Und von dem Ding in seinem Gesicht
bekomme ich Albträume.
Nacht für Nacht
liegt er in derselben Stellung.
Auf der linken Seite.
Die Wange dem Himmel zugekehrt.
Wenn also die Nacht
nicht gerade pechschwarz ist,
kann ich das S sehen.
Es leuchtet aus seinem Gesicht hervor
wie ein dunkler Stern.
Was für eine Art Mensch
hat ihm dieses Zeichen eingebrannt?
Ein Christ? Ein Jude?
Ein Maure, der mit Sklaven handelt?
Ist das wichtig?
In den meisten Nächten ist das S das Letzte,
was ich sehe, ehe ich die Augen schließe.
Und das Erste, wenn ich erwache –
ob ich die Augen schon geöffnet habe
oder noch nicht.
Al-Buraq
Amir und ich gehen zum Brunnen
am Ende unserer Straße.
Eine Stimme dringt hinter dem Gitter
eines hohen, dunklen Fensters hervor.
»He!«
Ich schaue hinauf. Die Sonne blendet mich.
»Flieg davon, al-Buraq!«
Soll ich ihn verteidigen?
Wird ein Herr entehrt,
wenn man seinen Sklaven beleidigt?
Ein Stein fällt neben meinem Fuß auf die Erde.
Dann ein zweiter.
Amir ist weit voraus.
Die Steine und der Schimpfname gelten mir.
Das wurmt mich.
Wir Conversos sind an Schimpfwörter so gewöhnt
wie ein Esel an Schläge.
Marrano. Wetterfahne.
Jüdischer Wolf im Schafspelz.
Al-Buraq , das ist ein neuer.
Ich kann mir nicht helfen –
ich wüsste gern, was man mich gerufen hat.
Es klingt arabisch. Ich werde Amir fragen.
Nein, lieber nicht.
Ein Mann auf dem Markt
nannte ihn: verdammter kackbrauner Köter .
Er würde lachen, wenn er wüsste,
dass mich schon eine kleine Beleidigung juckt.
Stolz
Auf dem Heimweg
sprechen wir kein Wort.
Ich versuche, ganz ruhig tun, aber das bin ich nicht.
Wasser schwappt und spritzt
aus meinem Eimer, als wären die Tropfen auf hoher See
und gingen über Bord.
Die schwarze Wolke hängt über mir
während des ganzen Abendessens.
Alle schweigen.
Sie können sie sichtlich sehen.
»Du bist ein Dummkopf«, sagt Amir,
als er beim Abräumen hilft.
»Weißt du nicht, dass al-Buraq
eine Zauberstute war?«
»Sie hat meinen Propheten, Mohammed,
auf ihrem Rücken in den Himmel hinaufgetragen.
Ich wäre stolz,
so genannt zu werden.«
Typisch.
Amir ist stolz darauf –
na ja, eben Amir zu sein.
Das ist wohl der Unterschied, schätze ich,
zwischen ihm und mir.
Aber wie kann ich stolz sein?
Amir mag ein Sklave sein,
aber er weiß, wer er ist.
Meinen
Du bist ein Dummkopf.
Ich könnte ihn ohrfeigen.
Außerdem irrt er sich.
Diese Bengel haben nicht gemeint,
ich sei etwas Edles.
Etwas ja, aber nicht edel.
Was sie meinten, ist:
Ich bin halb ein Geschöpf und halb ein anderes.
Ein Monster also.
Wie etwa: halb Drache, halb Pferd.
Halb Frau, halb Wolf.
(Ich glaube, Herakles
hat zumindest eines davon erschlagen.)
Halb Christ, halb Jude.
Halb Mensch.
Bestenfalls.
Zwei Geschenke
Papa reist nach Toledo.
Ich versuche, ihn zu überreden,
dass er mich mitnimmt. Jedermann weiß,
dass Banditen die Straßen unsicher machen.
Er lehnt ab. Ich schmolle.
Aber alles ist verziehen
bei seiner Rückkehr.
Er hat Geschenke mitgebracht!
Meines ist ein Messer. Nicht irgendeines.
Sondern mit einer Klinge aus Toledo-Stahl –
dem besten in ganz Spanien.
Er hat auch Amir ein Geschenk mitgebracht,
aber es ist nur ein Buch.
Wie kann das an einen Dolch heranreichen,
besonders bei uns? Die Luft in dieser Werkstatt
ist geschwängert mit Tinte.
Papa sieht mir an, was ich denke.
»Es ist nicht einfach irgendein Buch, Jungs.
Manche sagen, es sei ein Zauberbuch.
Es kann einem helfen, die Wahrheit zu sehen
oder die Zukunft.
Wenn man Hafis etwas fragt,
dann antworten seine Gedichte.«
Hafis ist der Verfasser.
»Versuchen wir es«, sage ich.
»Ich habe eine Frage
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