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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Little
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Papyrus, die Pflanze,
    die die Alten einst statt Papier benutzten.
    Die Blütenblätter sind so leicht, dass sie praktisch
    in meiner Handfläche schweben.
    Aber die Blume ist da.
    So wirklich wie ein Versprechen.
      
    Wahrsagen
    Das S hebt und senkt sich
    ganz gleichmäßig.
    Er muss tief schlafen.
    Das Buch gehört Amir.
    Ich weiß, dass ich unseren brüchigen,
    eierschalendünnen Frieden aufs Spiel setze.
    Ich fühle mich, als stünde ich
    am Guadalquivir,
    wissend, dass ich
    beim nächsten Herzschlag
    hineinspringen könnte.
    Aber ich bin wie gebannt.
    Beatriz Álvarez.
    Das ist ihr Name.
    Die Laute dieses Wortes
    Bringen mein Blut in Wallung.
    Ich muss es wissen:
    Soll ich ihr meine Liebe geloben?
    Ich weiß, dass ich es möchte.
    Aber was wird sie tun?
    Mir ins Gesicht lachen?
    Amir bewahrt Hafis
    unter seinem dünnen Kopfkissen auf, genau wie ein Mädchen
    das manchmal mit seiner Puppe macht.
    Geschafft!
    Ich hab das Buch.
    Er rührt sich nicht.
    Ich schleiche in eine Ecke.
    Drücke die Augen zu.
    Eine Seite ungefähr in der Mitte.
    Mein Finger schiebt sich hinein.
    Dann seine Stimme vom Bett her:
    »Lass nächstes Mal
    wenigstens dein Federkissen
    als Gegengabe zurück!«
      
    Geheimschrift
    Ich drehe mich nicht um.
    Ich werde versuchen, schnell zu lesen:
    Gleich kommt er und nimmt es mir weg.
    Aber es sind nur lauter Schnörkel!
    Ich brülle Amir an:
    »Du aalglatter Kerl!
    Du hast mir nie gesagt,
    dass es in einer Geheimschrift geschrieben ist!«
    Er reibt sich noch den Schlaf aus den Augen –
    aber sein Grinsen sieht schon verflixt wach aus.
    »Es ist Arabisch. Die Sprache
    meines Vaters …«
    »Ich weiß , was es ist.
    Niemand kann mehr an etwas anderes denken,
    seit du in dieses Haus gekommen bist!«
    Ich will gerade hinausstürmen, da
    kommt mir ein neuer Gedanke.
    Ich packe ihn an seinem hohen Kragen.
    »Bring’s mir bei!«, rufe ich.
    Eine Minute lang denke ich mit klopfendem Herzen,
    er könnte mich vielleicht schlagen.
    Ich wünsche mir halb und halb, er würde es tun.
    Wenn ein Sklave einen freien Mann schlägt,
    bedeutet das seinen Tod.
    Da steht Papa vor uns.
    »Ramón! Was ist los?
    Es ist noch stockdunkel!
    Warum brüllst du hier herum,
    als wolltest du Tote aufwecken?«
      
    Warnung
    Die Arabischstunden
    laufen nicht sonderlich gut.
    Die Buchstaben schlingen sich ineinander, rinnen zusammen
    wie Wassertropfen.
    Sie entgleiten mir und verschwimmen mir
    vor den Augen.
    Das sind nicht die Kurven,
    die mir jetzt gerade wichtig sind.
    Amir gibt nicht auf.
    Ich spüre, dass er mich
    wieder bedauert.
    Auf keinem unserer Ausgänge
    haben wir Beatriz gesehen.
    Das Ritterturnier der Königin
    findet in zwei Tagen statt.
    Ganz Córdoba wird hingehen,
    das ist gewiss.
    »Was werde ich sagen, wenn ich sie sehe?«
    (Ich meine Bea, nicht die Königin.)
    Er holt Hafis. Hält ihn zuerst mir hin,
    als könnte ich ihn nach zwei Wochen Unterricht
    schon selber lesen.
    Ich weiß nicht, ob ich ihm danken oder losschreien soll.
    »Übersetze du«, sage ich so großartig, wie ich kann.
    »Schließlich gehört das Buch dir.«
    Amir öffnet Hafis
    an einer beliebigen Stelle.
    Er braucht nicht länger als eine Minute,
    um seine Sprache in meine herüberzuzaubern.
    Schau nicht auf das Grübchen in ihrem Kinn –
    Dort lauert Gefahr!
    »Das steht nicht da. Du nimmst mich auf den Arm.«
    Amir sagt nichts. Er lächelt nicht, runzelt nicht die Stirn.
    Er ist schwerer zu lesen als die Worte auf dieser Seite.
      
    Turnier der Besten
    Rüstungen dröhnen,
    Schwerter klirren,
    stahlhart krachen
    Lanzen
    gegen Brustpanzer.
    Der alte Ramón
    lebte für diese Dinge.
    Aber jetzt bin ich nicht
    wegen des Wettkampfes da.
    Ich wage es nicht, meinen Blick von der Menge abzuwenden.
    Der Tag neigt sich.
    Die Preise (einer ist ein Pferd,
    von Kopf bis zum Schweif mit einer Decke
    aus golddurchwirkter Seide bedeckt) sind verteilt.
    Oh, wie soll ich schlafen können?
    Ich war mir so sicher, ich würde sie sehen.
    Dann, als wir gerade gehen wollen,
    ein leises Lachen hinter mir, wie kühles Wasser
    auf Kieseln. Ich drehe mich um –
    zu spät. Es ist niemand da.
    Amir verdreht die Augen
    und deutet auf meinen Ranzen.
    Offen, wie immer.
    Ein Blättchen Papier,
    so fein, wie ich es je nur gesehen habe,
    steckt dort, hineingelegt wie ein Samenkorn.
    Keine Verschlüsselung.
    Dieses Mädchen ist direkt.
    Sie nennt den Tag und den Ort.
    Sollte denn das nicht
    der Mann machen?
    Egal.
    Jetzt könnte ich mit den Besten
    zum Turnier

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