Der Schritt hinueber - Roman
will, sagt sie:
Ich will nicht! und es lohnt sich auch nicht! Sie können mich nicht bekommen!
Er fängt wieder von vorne an mit Zärtlichkeit. Aber sie läßt sich nicht verführen, und als er ungeduldig und heftig wird, auch nicht überrumpeln. Sie denkt, nun wird es nicht lange dauern und er wird es mit Gewalt versuchen. Sie wartet auf den Augenblick, und da versucht er es auch schon. Er packt sie an den Schultern und wirft sie hin. Da schreit sie ihm plötzlich ins Gesicht: Ich will nicht! Sie dürfen es nicht so machen mit mir!
Er zuckt zurück und steht auf. Er schwitzt und geht an den Tisch und trinkt. Er nimmt gleich die Flasche an den Mund, und nun trinkt er ein wenig zuviel für einen Mann, der etwas will, und als er dann die Flasche absetzt und vom Tisch wieder herüberkommt, taumelt er auch schon. Susanna rückt von ihm ab und sagt: So, das war alles, und jetzt will ich gehen!
Sie steht auf, streicht sich den Rock glatt und zieht sich die Bluse an, – da ist der Kapitän mit einem Schritt an der Tür und dreht den Schlüssel um und zieht ihn ab. Aber nun läßt sie sich nichts mehr gefallen: der Mann hält sie an der Schulter fest und schlägt sie, sie schlägt zurück, ihm ins Gesicht, sie stößt ihm die Faust ins Gesicht. Und dies ist der Augenblick, in dem etwas geschieht, das sie sich später nicht erklären kann. Es muß wohl so sein, daß sich der Mann plötzlich schämt, aber Scham und Wut fließen ihm in eins zusammen und treiben ihn über seine Gier hinaus. Er nimmt das Messer vom Tisch und reißt ihr die Bluse herunter und stößt ihr das Messer neben der Schulter ins Fleisch. Er stößt nicht fest zu, es tut nur weh, und ein Blutstropfen, groß wie eine Münze, tritt hervor, das Messer ist schon wieder weg, und nun drückt er es ihr in die Hand und sagt:
Jetzt stoß du zu, aber stoß nur richtig! – und er öffnet sich das Hemd.
Sie starrt ihn an und läßt die Hand sinken. Sie sieht, daß er weint.
Und da die seltsame Umkehrung, – sie kann es nicht fassen: sie sieht die dicke Münze aus Blut auf ihrer Haut und den Faden, der davon rinnt, und sie zittert, aber sie sieht auch, daß der Mann weint. Sie läßt das Messer fallen und wischt ihm die Tränen ab, und dann küßt sie ihm die Tränen ab und weiß, daß sie ihn im nächsten Augenblick umarmen wird. Sie legt ihm die Arme um seinen Hals und spürt, wie ihn das Schluchzen erschüttert. Da preßt sie sich stärker an ihn, damit dies doch wenigstens aufhört, etwas Unerträgliches. Aber sie selber weint und schluchzt nun auch, und das ist für sie beide unerträglich. Umarmung, Zärtlichkeit und alles, und immer unter Tränen. Es ist mehr Zärtlichkeit als zuvor, und sie können nicht aufhören damit, als wären sie wirklich zwei Liebende, die einander angehören und sich nicht trennen können.
Spät in der Nacht geht Susanna nachhause zu Fini. Sie weiß nicht, was nun werden soll. Aber am anderen Morgen kommt der junge Oberleutnant Spasso mit seinem Kindergesicht und mit einer Brille aus einem Stahlbügel und der Adjutantenschnur an der Schulter und bestellt ihr, daß sie im Dorf nicht bleiben könne. Es tut ihm leid, aber er hat den Auftrag zu vollziehen, der Kapitän habe sie ausgewiesen aus seinem Rayon, sie müsse das Haus hier verlassen. Sie versteht, ist sofort bereit, gehorcht, obgleich Fini jammert, und nur Axel, als er davon erfährt, aufatmet. Aber das darf er nicht zeigen, er muß tun, als finde er es unerhört, daß man sie so behandelt. Nun springt er ihr bei. Susanna sagt nichts und schickt sich in alles. Und es fällt ihr leicht, diese ganze Geschichte zu erzählen: Nachtmahl, und er wollte zudringlich werden. Und weil er mich nicht gekriegt hat, weist er mich aus.
Weder Fini noch Axel erfuhren jemals etwas anderes als dies von ihr. Und dann kam ihr letzter Abend im Dorf, und Axel war bei ihr und kümmerte sich um sie, und plötzlich war für sie alles gut mit ihm, nicht mehr Hilfe, nicht mehr durchlässiger Stoff, sondern Liebe und richtig, sie liebte ihn. Es war ein Wunder für sie, keine Lüge, und das Erlebte verwischte sich in ihr. Es war geschehen und nicht geschehen.
Aber jetzt muß sie doch daran denken, an alles, wie sie dem Kapitän gegenübersitzt.
Niemand wußte, wie er hieß. Er hatte nicht wie Kolja oder wie sein Adjutant, der Oberleutnant Spasso, für die Leute einen Namen. Er war einfach der Kapitän. Ihm unterstand das ganze, über die Nachbargemeinden weitverstreute Bataillon, aber sein
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