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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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spezieller Rayon war das Dorf.
    So ungefähr stellte sichs den Leuten dar. Er war für sie weniger eine Person, als eine Verkörperung der Macht, sein Bereich und seine Befugnisse waren nicht scharf umgrenzt, wo hatten sie ein Ende?
    Nur Susanna hatte ihn kennengelernt, aber jenes andere Bewußtsein, daß es eigentlich seine Aufgabe wäre, für Ordnung zu sorgen, war auch ihr davon nicht ausgelöscht worden. Ihre Erinnerung an den Abend mit ihm enthielt dieses eine Merkwürdige, daß er ihr begegnet war, – aber sie ahnte, es war noch etwas anderes in ihm, als das, was sie sich gemerkt hatte, und so dachte auch sie: ja, er kann über alles verfügen, und er darf es mir jetzt nicht abschlagen, er muß mich wieder ins Dorf lassen, er könnte mich sicherlich auch vor Kolja schützen, aber von Kolja will ich ihm gar nichts erzählen, das ist meine Sache, und ich darf überhaupt alles nur ganz allgemein sagen, sonst wird Kolja noch zur Rechenschaft gezogen, oder auch Bemelman, wegen der beiden Flüchtlinge, sonst kommt eine Untersuchung; – so weitläufig bereitete sie sich darauf vor, dem Kapitän eine höchst abgezogene Darstellung des Falles zu liefern.
    Trotzdem klopfte ihr nun, als sie sprechen sollte, das Herz. Sie sah auf den grauhaarigen Mann, den sie fünf Wochen zuvor umarmt hatte. Er trug seine Haare wie eine Bürste hochgekämmt. Sie sah seinen Mund, der voll falscher Zähne war.
    Ich komme wieder zu Ihnen, sagte sie, und dann erklärte sie ihr Anliegen. Ich muß da oben weg. Mir stellt dort einer nach. Ich will wieder ins Dorf zurück. Kann ich wieder bei der Fini wohnen?
    Der Kapitän hörte ihr zu. Er kratzte Tabak aus einer Schachtel und stopfte ihn in seine Pfeife. Der Zündholz-Flammenschein erhellte sein Gesicht, er blinzelte mit den stumpfen grauen Augen. Er seufzte und sagte: Dann war es da oben nicht besser als hier?
    Es klang nicht wie eine Frage, eher wie lautes Nachdenken. Susanna hatte soviel Gelassenheit nicht erwartet. Sie dachte, das geht alles ganz leicht; sie sagte: Eine Zeitlang war es besser!
    Ach, sagte der Kapitän, für Sie wird es auf die Dauer nirgendwo besser sein. Vielleicht wird es besser, wenn Ihr Mann zurückkommt? Das ist doch Ihr Mann!
    Auf diese Wendung war Susanna nicht gefaßt gewesen, aber nun schlug der Kapitän einen Briefordner auf und las: Karl Jorhan, Zahntechniker, verheiratet, ein Kind. Dienstgrad Sanitäter.
    Die Pfeife war ihm ausgegangen. Noch einmal flammte das Streichholz vor seinem Gesicht. Er sagte: Oder ist das auch nicht gut, wenn er zurückkommt? Ich habe da noch einen Namen: Wilnow, Axel von Wilnow, Gutsbesitzer, wohnt jetzt in der Mühle. Das ist doch ein ordentlicher Mann. Oder nicht?
    Susanna schwieg. Er wußte alles. Er sah sie mitleidig an.
    Susanna sagte mit fester Stimme: Herr Kapitän, wenn jemand zurückkommt, ist es immer gut. Sie dachte: gelogen, – aber in fliegender Eile dachte sie auch: er hat sich also erkundigt nach mir, während ich weg war, hat mich beobachten lassen, er hat alles von Axel und mir erfahren!
    Der Kapitän sagte: Ich bringe Ihnen jetzt einen Schnaps, ist es gefällig?
    Nein, es ist nicht gefällig! Es würgte sie in der Kehle. Er nahm ihre Hand: Nicht gefällig. Aber mein Kind, ich sehe es Ihnen doch an, Sie sind erschöpft, Sie sollten sich stärken. Er füllte zwei Gläser, das seine leerte er in einem Zug.
    Sie sah ihn mißtrauisch an. Er sagte: Oh, Sie wissen nicht, ich habe mir Sorgen gemacht um Sie. Und damals, ich hatte Sie weggeschickt, Sie verstehen, ich hatte gehofft …
    Seine Augen richteten sich leer auf einen Punkt im Raum. Auch Susanna sah auf einen solchen Punkt. Sie sagte: Ich weiß, und ich habe es auch richtig verstanden.
    Seine Stimme traf sie so wenig wie sein Blick. Ich hatte gehofft, Ruhe, alles gut! Aber dann – ich habe mich, wie sagt man, ein wenig umgehört im Dorf, und hier – dieser andere Name …
    Er schwieg. Sie saßen einander gegenüber. Jorhans Schreibtisch war zwischen ihnen, die Flasche, die Gläser. Oh, Sie haben noch nicht getrunken, sagte der Kapitän, und nun schenkte er sich selber noch einmal ein und achtete darauf, daß auch Susanna ihr Glas leerte.
    Ja, es tut mir leid, sagte er dann, ich hatte es anders gemeint. Aber was ist nun jetzt wieder da oben?
    Susanna richtete sich auf. Ich muß weg!
    Warum weg?
    Ich habe es Ihnen schon gesagt, weil mir einer nachstellt!
    Wie heißt er? Ich werde ihn bestrafen!
    Oh, sein Name, – ich weiß nicht.
    Aber erlauben Sie, – wie sieht

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