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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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ihn das nicht. Ihn hatte das Gefühl erfaßt, das ihn so lang schon ängstigte: die Heimat war fremder geworden. Sie war tatsächlich kein Haus mehr – von Besitz ganz zu schweigen – ein Blatt, das schon am Zweige dorrt, ist ebenso –, sie half ihm nicht, und was blieb dann. Etwas mußte doch bleiben, – ein Mensch, der zu einem gehörte. So dachte Axel, und insgeheim brannte er danach, die Wahrheit zu erfahren, die ihm wichtig war, die ihm diesen Menschen erhalten konnte. Aber wo sollte er sie erfahren. Bei Susanna? – wenn er ihr nur hätte trauen können!
    Auch seine Gedanken setzten ihn allmählich schärfer auf eine Fährte: wenn ich diesen Kolja stellen und fragen könnte.
    Und damit war er endlich auch so weit wie Kolja. Wie zwei Figuren waren sie, noch weit auseinander, aber zusammenstrebend, ihr Weg war ihnen noch dunkel. Zeit und Ort lagen wie immer in der unbestimmbaren Zukunft, von der niemand weiß, ob er sie Überhaupt erleben wird. Doch in dem Gespinst der Seele regt es sich schon, und was einmal geschehen kann, hat sein Bett in der Bluthöhle des Gehirns. So saß Axel vor dem grünfließenden Wasser, und jenseits der Wälder saß Kolja in dem fremden Fliegenhaus.
    Das war der dritte Tag, an dessen Abend Kolja zum erstenmal losritt; für Axel aber war es der „bestimmte Tag“.
    Susanna saß ahnungslos in der Stube der Fini. Die hatte die Vorhänge zugezogen und sich das Kopftuch umgeschlungen und den kleinen Sohn aus dem Kinderwagen gehoben.
    Ich nehm dich gern einmal mit, auf dich sind wir stolz, ich will mich zeigen mit dir!
    Nun gehe ich also zu der Basl hinüber, ihr die Wohnung zu putzen!
    Ach ja, Fini, Mittwoch ist ja Ihr Basl-Tag!
    Susanna errötete nicht bei diesen Worten. Auch Fini ließ sich das stille Einvernehmen nicht anmerken, daß die Basl sie immer an dem „bestimmten Tag“ brauchte.
    Zu heuchlerischem Einvernehmen kam zur selben Zeit Axel mit Bemelman. Die beiden waren einander nicht ganz zufällig begegnet. Axel kannte von früheren, von besseren Tagen, Bemelmans Gewohnheit, am Abend Holz zu stehlen an einer gewissen unübersichtlichen Stelle des Waldes. Oft hatte er ihn deswegen bedroht. Er machte den Umweg, und richtig, er traf ihn und nun sah er nicht auf den Karren Stangenholz, obwohl er sich ärgerte, auch wo der Wald ihm nicht mehr gehörte, er sagte:
    Angenehm, Bemelman, ich laufe schon die ganzen Tage herum und suche meine Hexe, die ist mir Sonntag abend durchgebrannt. Sie hat in der letzten Zeit manchmal gewildert, und ich fürchte beinahe, es ist etwas passiert mit ihr, können Sie mir vielleicht sagen …
    Bemelman sah dem Herrn in die Augen und sagte: Ob es Ihre Hexe war, Herr von Wilnow, weiß ich nicht, aber da war neulich bei mir ein fremder Hund, das heißt, ein Soldat, der randaliert hat, und plötzlich ein fremder Hund. Ja, vielleicht ein wildernder Hund, der hat ihn angefallen, und der Soldat hat auf den Hund geschossen, und am nächsten Tag habe ich die Schweißspur ein Stück verfolgt. Gefunden habe ich ihn nicht. Und natürlich habe ich auch in der Nacht nicht viel gesehen, ich habe mich ja nicht hervorgetraut. Aber wann war es, daß Ihnen die Hexe durch ist, Sonntag abend, ja, dann könnte es die Hexe gewesen sein, das wäre schade.
    Ein Schlag für mich, sagte Axel. Auch er blickte dem Bauern fest in die Augen. Und Sie hatten den Eindruck, Bemelman, es war ein wildernder Hund, es war kein Mann dabei, dem er gehört hätte?
    Nein, kein Mann, Herr von Wilnow!
    Susanna sah auf das eingeräumte Nähkästchen der Fini und auf den blanken Herdkranz. Die Ordnung in der bescheidenen Stube tat ihr weh. Ordnung – sie selber hatte nun etwas zu bekennen, das aller Ordnung zuwiderlief. Sie spannte im Voraus schon ihre Herzkraft an auf dieses Geständnis.
    Ich werde ihm sagen: ich habe schon seit vierzehn Tagen das Gefühl, aber seit voriger Woche weiß ich es genau, daß ich ein Kind bekommen werde. –
    Zwischendurch mußte sie an die Sache mit Kolja denken. Auch sie war drei Tage nicht ausgegangen, um den Leuten im Dorf keinen Anlaß zu Gerede zu geben. In der Abgeschiedenheit des Finihauses hatte sie sich immer bangend vorstellen müssen, wie es für Kolja gewesen sein mochte am Sonntagabend. Was mußte er von ihr halten, wie mochte es ihn getroffen haben, daß sie ihm weggelaufen war?
    Nun nahm sie sich zusammen. Sie mußte an sich selber denken und an eine Erklärung für Axel. Ihre plötzliche Übersiedlung, davon mußte sie ihm zuerst sprechen. Ein

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