Der Schritt hinueber - Roman
wenig Furcht hatte sie auch hier, was durfte sie ihm sagen, damit er nicht gleich wieder mißtrauisch wurde? Sie überlegte es noch, als er eintrat. Aber dann war sie einfach froh, ihn zu sehen, sie begrüßte ihn und fing an, und da, im Reden, während er nur stumm zuhörte, ergab sich alles von selber: eine Andeutung über Kolja, der hatte sie besucht und ihr zugesetzt; und dann die Sache mit den zwei versteckten Leuten, und nun zuletzt die dramatische Szene am Abend, und ihre Angst und deshalb Flucht.
Ach, es ist nicht zu schildern, rief sie aus. Er ist einfach nicht weggegangen, und ich hatte doch solche Angst wegen der zwei Leute im Heu, und auch wegen Bemelman, daß der mir böse ist, weil dieser Leutnant doch immer von Anzünden geschrien hat, ich sage dir, geschrien wie ein Irrer: wenn ich nicht spreche mit ihm, zündet er das Haus an, und dann wird er schon sehen, wer herauskommt aus dem Bau. Da bin ich schließlich doch noch einmal aufgestanden und habe ihm zugeredet und habe es dann auch so weit gebracht, daß er weggegangen ist.
Da unterbrach Axel sie:
Was war wirklich?
Wieso wirklich? fragte sie noch im Fluß ihrer Worte.
Er sprach langsam: Ich will mich nicht auf die Leute berufen. Was die so reden. Der Müller hat es aus dem Wirtshaus. Aber auf meine eigenen Augen und Ohren will ich mich verlassen. Ich habe den Mann gesehen am Sonntagabend, der auf dich gewartet hat. Ich habe gehört, was er dahergeredet hat in seinem Rausch, dahergejammert und geheult, weil du nicht gekommen bist! Aber am Abend zuvor hat er nicht umsonst gewartet! da bist du hinaus zu ihm. Das hat er sich nämlich nochmals vorgespielt in seinem Rausch: Hier bist du gekommen, hier bist du gegangen. Schöner Anblick, ja, schön deutlich hat er diese tolle Szene hingelegt, mit meinen Augen habe ich es gesehen!
Susanna erbleichte, als zöge ein Geist ihr das Blut weg. Und als sie nun antwortete, war ein Ton in ihrer Stimme, der die Erstarrung ihres Herzens verriet: Mit deinen Augen – ach so, – das hat nämlich auch er gesagt zu mir: mit meinen Augen habe ich es gesehen.
Wer? fragte Axel scharf.
Da brach sie in Tränen aus.
Er fühlte Mitleid. Susannas Rolle kam ihm unheimlich vor. Da war es wieder, das sonderbar Unheimliche an ihr, etwas Ahnungsvolles und darum Hochmütiges, niemals würde ihn das loslassen. Er streichelte ihr Haar. Wie meinst du das? Wer hat zu dir dasselbe gesagt wie ich?
Nun, ich meine, sagte sie, – aber dann konnte sie nicht weiter. Nein, ich kann es dir nicht sagen, und wie sollst du mir auch glauben jetzt? Und er hat gejammert, sagst du, er hat wirklich so laut gejammert?
Axel sprang auf. Ja, geheult und gejammert, elend gewinselt, wenn dir das soviel ausmacht! Er zitterte, weil er sich nun doch vor Wut nicht mehr kannte. – Das war die Höhe, sie schämte sich nicht, ihm zu zeigen, wie sie fühlte mit dem anderen – nicht mit ihm, sondern mit dem anderen! und er hatte eben noch Mitleid gehabt mit ihr!
Eine Weile später hörte er ihr doch zu. Sie sprach leise, noch immer rasch nach ihrer Art. Es strengte ihn an, den Sinn dieser halben und doch uferlosen Sätze zu begreifen. Aber er konnte sich nicht lösen von ihrem bleichen, kindlich hochmütigen Gesicht. Er verstand zu Anfang nicht, daß sie sich eine Last von der Seele reden wollte. Erst nach und nach merkte er, daß sie überhaupt nicht zu ihm sprach, sondern sich selber zurückversetzte zu einem Ereignis, das unauflöslich halb gut, halb böse, halb Lust, halb Schrecken gewesen war.
Ich weiß ja nicht, sagte sie, was mir zuerst den Gedanken eingegeben hat, und glaub mir, Lieber, es war auch nicht ein Gedanke und schon gar nicht ein Vorsatz. Ich habe ja nicht wissen können, wie es ausgeht, aber glaub mir auch das, ich habe nicht gespielt, mit mir selber nicht und auch nicht mit dem Leutnant, und ich weiß auch nicht, ob es für mich, wenn ich bezahlen hätte müssen, zuletzt ein echtes Bezahlen gewesen wäre. Ich will dir das ganz offen sagen, damit du mich überhaupt verstehst. Auch in dem Augenblick kannte ich mich nicht so genau, daß ich hätte sagen können: so, das tu ich jetzt. Aber wie er da draußen gestanden ist, und er hat ja wirklich nicht so sehr herumgetobt, sondern es auf mich abgesehen gehabt, – nein, es hat mich nur abgestoßen. Ich schwöre es dir, und ich sehe ihn noch vor mir, wie er sich gegen das Gitter gepreßt hat mit seinem Branntweingesicht.
Es war Berechnung dabei und auch bloße Gier. Aber dann hat er so
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