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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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Heu kratzte ihm am Hals, während Kolja noch immer blind schoß und sich dabei langsam zurückzog gegen das Haus. Als er dort am Tor sein Pferd losmachte, war Axel längst bei seinem Rad und auf ihm schon den halben Hügel hinab und hatte seine Augen nirgendwo als auf dem Feldweg, der ihn über Holpern gegen die Sumpfwiese führte. Dort kam ein schmales Brett über einem Wassergraben, und Axel, der darauf gefaßt war, weil er sich die Stelle gemerkt hatte, kam haarscharf darüber hinweg, ohne daß er an Geschwindigkeit verlor. Der Schwung vom Hügel her trug ihn noch weit in die Wiese. Er drehte sich um und sah hinter sich Kolja auf dem Schimmel, wie er den Hügel heruntersprengte, aber er sah ihn nicht lange mehr, denn nun kam der Wald, die schwarze Mauer. Für ihn war es keine Mauer, sondern Eingang in ein Revier, das er kannte, sein eigener Wald, ein Labyrinth von Pfaden, Schluchten, Hohlwegen, es nahm ihn auf.
    Er hielt sich still. Sein Fahrrad lag unter Farnen, die spitzen Fichtennadeln des Dickichts kitzelten ihn im Gesicht. Er sah draußen auf der breiten Schneise Kolja vorüberreiten. Da wäre er am liebsten aufgesprungen und hätte ihn angehalten und gefragt: Was war wirklich, war das so, wie Sie es da oben gespielt haben, war das wirklich so?

Drittes Kapitel
Eine Beichte
    Bemelman, an allerlei gewöhnt, hätte sich über die Schüsse eines Betrunkenen nicht weiter aufgeregt, wenn er nicht am nächsten Morgen vor seiner Holzhütte den erschossenen Hund gefunden und in ihm die Hexe des Herrn von Wilnow erkannt hätte. Er lief zu seinem Weib:
    Der Kolja hat die Hexe erschossen. Du kennst sie doch, die Hexe!
    Die Bäuerin sagte: Erschossen, und vor unserem Haus?
    Bemelman sagte: Du kannst sie dir anschauen. Sie liegt draußen. Und ich weiß jetzt auch, was da war. Der Herr von Wilnow hat dem Kolja hier aufgelauert. Die Jorhan muß sich verraten haben. Sie ist doch die ärmste Person. In keiner Sache kommt sie zur Ruhe.
    Die Bäuerin sagte: Ob das auch so gewesen ist, – aufgelauert?
    Was denn sonst, sagte Bemelman. Wenn ein Mann so etwas erfährt, dann läuft er schon von selber und sieht nach!
    Obwohl Bemelman es so genau wußte, konnte er die Geschichte doch nicht erzählen. Es wäre ein Stoff gewesen für eine Wirtshauserzählung. Aber mit dem Hund – das ging nicht. Da war es nun plötzlich eine Geschichte zwischen Männern: der eine lauert dem anderen auf, und sicher wird Kolja herauskriegen wollen, wer ihm den Hund hinaufgehetzt hat. Bemelman dachte: wenn ich etwas weiß davon, werde ich mit hineingezogen. Nein, am besten, ich weiß gar nichts, ich habe geschlafen, habe mich gefürchtet, weil geschossen worden ist. Und der Hund, der kann ja auch bloß angeschossen worden und dann fortgelaufen sein.
    Bemelman prägte das seinem Weibe ein. Er lud den Kadaver der Hexe auf einen Karren und warf ihn in ein steiniges Dickicht. Dann ging er seinem Tagwerk nach.
    Kolja hatte den flüchtigen Radfahrer im Wald verloren, und war dann weitergeritten bis zum Dorf, und vom Dorf wieder zurück zu den Bauerngehöften der Einschicht und wieder ins Dorf. Drei Tage später, als er anfing, immerzu so herumzureiten, planlos, wild, und damit die Gegend in Aufruhr brachte, erinnerten sich manche Leute – Eisenbahner, die vom Dienst gekommen, der Bäcker, der zum Brotbacken aufgewesen, die Hebamme, die zu einer Entbindung gelaufen war – daß sie ihn schon in jener Nacht gesehen hätten wie einen Geist auf seinem Schimmel.
    Er selber hätte nicht sagen können, wie er dann die weite Strecke hin in seinen Standort gekommen war; er fiel dort auch nicht in sein eigenes Quartier, sondern in das eines Kameraden und schlief, und als er dann nachmittags aufwachte, fand er sich in dreckigen Stiefeln und zerdrückter Uniform und wußte nicht, warum er sie anhatte, und fand seinen Geist in der Gefangenschaft verwirrter Erinnerung, und wußte nicht, wie er sie ins Klare bringen sollte.
    Er wusch sich und griff zur Flasche und döste vor sich hin. Hier war er, in einem fremden Land, und saß in einem von Fliegen schwirrenden fremden Haus, und als ob er ein wildes Tier wäre, gingen ihm die Leute hier aus dem Wege. Er konnte auf seinen Schimmel steigen und fortreiten, aber wohin? Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was ihm Kosanna angetan hatte. Sie hatte ihn zu sich bestellt, aber dann war sie nicht dagewesen. Sie hatte sich ihm versprochen. Nun, er war gekommen, aber sie hatte ihr Wort nicht gehalten, sie hatte ihn verraten, sie

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