Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
Vom Netzwerk:
wolle er weiter nach ihr suchen. Er mußte sie fragen, würde eine Erklärung haben, mußte ihr wieder glauben können. Und anders auch endete der Tag für Axel, er stolperte auf seinem Weg zur Mühle dahin und sagte sich: Schluß, Schluß, nie mehr will ich etwas von ihr hören, sie nie mehr sehen!
    Aber am nächsten Morgen stand ihm wieder ihr Bild vor Augen: das strohgelbe Haar, die weiße Haut, so weich, die unschuldig blickenden grauen Augen, – und er sagte sich, es kann doch nicht wahr sein, ach, wenn ich ihr glauben könnte!
    Er suchte sie noch einmal auf. Es war Mittag, sie schälte Kartoffeln. Fini war mit dem Jungen Brot holen, Susanna war allein. Axel wollte vernünftig sprechen; anders als am Abend zuvor wollte er einfach bitten: sag mir die Wahrheit. In aller Freundlichkeit wollte er fragen, ein Hilfesuchender, für den es jetzt alles bedeutete, ein bißchen Licht in das Dunkel zu bringen.
    Er wartete, bis Susanna mit ihrer Arbeit fertig war, dann legte er seine schwere warme Hand auf ihren Arm. In seinem Lächeln waren Einfalt und Treuherzigkeit eines Mannes, der es gut meint. Aber sie zog den Arm zurück und sagte: Was führt dich denn her heute?
    Die Frage klang so gekünstelt beleidigend wie zu unwillkommenem Besuch gesagt. Axel wußte plötzlich, daß er mit Susanna nicht mehr sprechen konnte. Er versuchte es trotzdem: Sag mir die Wahrheit! Sie antwortete: Ich habe dir alles gesagt!
    Er schwieg. Er stocherte in den Kartoffeln, die sie ihm vorsetzte. Wie oft hatten sie so zusammen gegessen, und er, als lange einsamer Mensch, hatte sich immer darüber gefreut. Du machst dir keinen Begriff, hatte er einmal gesagt, wie das ist, wenn man seinen Fraß allein hinunterschlingen muß, und wenn wir es jetzt auch nicht besonders gut haben, wir sind doch zu zweit! Nichts war ihnen einfacher erschienen, als so zu zweit zu sein. Sie hatten es schon für selbstverständlich genommen.
    Nun ging auch das nicht mehr, obwohl Susanna neben ihm saß. Es war nicht mehr dasselbe. Es war Würgen und Alleinsein, – vorbei auch dies. Und früher hatte er sich hingestreckt nach dem Essen, oder sie hatten sich beide hingelegt, eben wie Leute, die aneinander gewöhnt sind. Er blickte auf. Die Gegenstände in der Stube waren ja dieselben, es war doch alles unverändert, und was war denn überhaupt geschehen? Er dachte, vielleicht geht das, wenn es schon nicht mit Worten geht – ich nehme nochmals ihre Hand, das habe ich doch hundertmal getan, und es wird dasselbe sein, ich nehme also ihre Hand und wir legen uns einfach hin.
    Er sagte: Ich möchte mich hinlegen! Susanna blieb am Tisch sitzen. Er stand auf, er faßte sie ungeschickt an, es war, als ob er einen Menschen, mit dem ihn nichts verband, zum erstenmal berührte. Er konnte es nicht begreifen: alles weg, obwohl sie sich nicht wehrte!
    Er zog sie empor, er preßte sie an sich, und ein verzweifelter Gedanke kam ihm: ihr Körper, ja, das hatte er doch schon flüchtig gedacht: ihre weiche Haut mußte ihm die Wahrheit gestehen. Er sagte: Aber du kennst mich doch noch und willst, daß ich dir glaube, und wenn wir jetzt beisammen sind, ist dann nicht alles gut? Er fühlte, wie sie zurückzuckte, und aus ihrem Blick las er: sie war jetzt nicht mehr die Seine, sondern war eine fremde Frau, die ihm nie gehört hatte, und diese Fremde hatte nichts im Sinn, als sich freizumachen von ihm. Er packte sie an den Schultern.
    Was machst du mit mir, schrie sie ihn an, – aber dann gab sie plötzlich nach, und sie empfing ihn, ohne sich zu wehren.
    Er preßte ihren Kopf zwischen seine Hände. Aber du willst mich ja!
    Sie sagte: Ja, wenn du mir vielleicht jetzt glaubst!
    Das sagte sie hin und lächelte sogar dabei, aber ihn schauderte: das war ein Lächeln wie von außen aufgedrückt, – wie eine Maske, die man sich vors Gesicht stülpt. Ihre Finger krallten sich in seinen Rücken, sie hielt ihn fest wie in einem Krampf. Ihre Lippen waren kalt.
    Eine Weile später klapperten draußen Schritte. Der Kinderwagen quietschte. Fini kam mit dem Jungen nachhause. Sie blieb am Brunnen stehen und redete mit ihrer eifrigen Weiberstimme wie ein Huhn. Axel hörte es, einen Laut des gewöhnlichen unschuldigen Lebens, – aber es nahm ihm den Schauder nicht weg. Ich muß gehen, sagte er. Er stand auf und war schon an der Tür, als Fini eintrat; als ob er flüchten müsse, verließ er die Stube.
    Er wußte nicht recht, was nun eigentlich geschehen war, – ihn hatte geschaudert vor Susanna, aber er

Weitere Kostenlose Bücher