Der Schritt hinueber - Roman
trat und ihm ein paar Neuigkeiten aus dem Dorf erzählte. Er hörte erst zu, als der Müller sagte:
Dieser Kolja treibt sich wieder herum, und das wird Sie interessieren, er fragt nach einem Haus, wo ein Hund abgeht.
Was heißt, er treibt sich herum? fragte Axel.
Der Stoß hatte ihn getroffen, aber er ließ es sich nicht anmerken, sofort dachte er voraus: wie, wenn ich ihn da stellen und zwingen könnte zu sprechen.
Der Müller sagte: Er macht die Gegend unsicher. Er reitet überall herum wie ein Närrischer. Hoffentlich kommt er nicht auch zu uns her!
Axel dachte: wenn er mich nicht erkennt, er kann mich doch kaum wiedererkennen. – Er sagte: Also hören Sie, da müssen wir uns in acht nehmen, wenn da einer kommt und schnüffelt herum, dann entdeckt er die paar Maschinen, die ich vom Gut heruntergebracht habe, soweit darf es gar nicht kommen, wenn da einer also fragt, ob hier ein Hund war …
Der Müller sah ihn forschend an. Wissen Sie was, wir kaufen einen neuen Hund, wir schaffen uns wieder einen an. Wir brauchen sowieso einen Hund!
Er fand den Einfall prächtig. Aber Axel blickte wie abwesend. Das können Sie machen, das ist keine schlechte Idee. Er stand auf und holte sein Fahrrad aus dem Schuppen.
Wie sagten Sie, er treibt sich herum?
Ja!
Wann, wo?
Gestern, im Wald, im Dorf, überall!
Und fragt?
Fragt und sucht und sagt, er kommt wieder.
Axel blieb stehen wie jemand, dem eben noch rechtzeitig etwas einfällt, er führte das Rad zurück in den Schuppen. Ici habe es mir überlegt, ich gehe zu Fuß!
Ein wenig sonderbar benimmt er sich neuerdings, dachte der Müller – und dasselbe dachte zu der Zeit auch Fini wieder von Susanna. Und nicht bloß wegen ihrer Reden zu Mittag; ähnlich fing Susanna nun von neuem an.
Zuerst war sie noch vernünftig, gab ihr einen Brief, den wieder der Pfarrer befördern sollte, und sagte dazu: Ich habe es mir überlegt, Fini, ich habe meinem Mann geschrieben, er soll auf keinen Fall versuchen, herüberzukommen, das ist zu gefährlich für ihn; ich will hinüberkommen, sobald es geht, – aber ich weiß noch nicht, wann. Es ist auch für mich nicht einfach, hinüberzukommen. Vielleicht geht es noch nicht in den nächsten Tagen. Und wenn Sie dem Pfarrer sagen wollen, er soll den Leuten gar nichts erzählen davon, daß mein Mann da ist, – es ist eben wegen des Hinüberkommens; – das alles verstand Fini mit soviel Gründen, wie es ihr Susanna auseinandersetzte. Aber sie verstand nicht mehr, daß sie nun sagte: Ach, Fini, ich bin ja verzweifelt, vielleicht ist Herr von Wilnow inzwischen längst wieder böse! Sie erinnern sich doch, wie er gestern fortgegangen ist! Wie soll ich es nur machen, daß er nicht wieder böse wird. Und dann Kolja, was wird der wieder anstellen? Ob er heute auch wieder herumreitet? Ach, Fini, ich muß jetzt immer sehr achtgeben, sonst wird es schlimm mit den beiden!
Und das verstand sie nun schon gar nicht mehr, daß Susanna sagte: Wenn dem Kolja doch jemand erzählen könnte, wie es war, – ich weiß ja, daß ich schuld bin, wenn er jetzt so herumzieht. Aber glauben Sie, daß ich ihm das einfach sagen kann? Ach nein, da würde Axel wieder böse, wenn ers erführe. Ich weiß nicht, wie ichs gutmachen soll, Fini!
Axel ging durch seinen alten Wald, er ging unter den hohen Stämmen bis vor an den Rand der sumpfigen Wiese, von der aus der Hang gegen den Bemelmanhof aufstieg. Er hatte schon den ganzen Bogen geschlagen über Schneisen und Lichtungen und dabei war ihm die Erinnerung gekommen. Früher hatte er an diesen Stellen oft gesessen, im Heidekraut, in der Dämmerung, um zu warten, bis das Wild hervortrat. Er kannte die Steige, die Orte. Hier war sein Hochstand, er kletterte hinauf, nur um wieder einmal droben zu sein, und da war auch dies wieder wie früher, – die Erinnerung an Stunden Wartens auf dem Hochstand.
Aber bald merkte er, daß es doch nicht mehr so war wie früher; und es lag nicht daran, daß ihm nun der Wald nicht mehr gehörte. Diesen Zustand betrachtete er als Übergang, vorübergehende Auflösung. Die Verantwortung blieb. Hier die Schonung junger Pflanzen und drüben an der Schneise die paar alten Stämme, verdorrt und flechtig, – er argwöhnte schon lange, daß sie vom Borkenkäfer befallen waren, da mußte geschlagen werden, und vielleicht war es auch günstig, dieser Sumpfwiese das Wasser wegzunehmen, man mußte drainieren, es war jetzt schon gegen den Waldrand zu ein richtiger kleiner Tümpel mit Wollgras und einer
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