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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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ihre traurigen Augen gesehen, auch noch bei ihr kindliche fragende Augen. Sie waren nur allein.
    Inzwischen kam sie zum Kapitän. Er hatte nach seiner Art mit ihr gegessen und mit ihr zu reden versucht. Aber dann war sie ihm langweilig geworden. Das war doch eine vorlaute Person. Daß sie ein bißchen schielte, hätte ihm nichts ausgemacht, aber bei ihr ließ sich alles vorher berechnen, und das eben war ihm langweilig.
    Seit Susanna bei ihm gewesen war, plagte ihn das Bedürfnis nach Menschen, bei denen sich nicht alles berechnen ließ. Ein höheres Bedürfnis. Er hatte es sich immer so gewünscht – hervorzutreten und einen Faden aufzunehmen bei einem Menschen, der hier zuhause war, – und an Susanna hatte er jemand gefunden, der ihm standhielt, sie hätte er sich auch gern wieder ausgesucht, bei ihr war etwas übrig geblieben, das ihn beschäftigte. Aber nun betrog er sich um diesen Anspruch, und da ärgerte er sich sogar über Susanna. Sie hatte ihm diese sonderbare Benommenheit und Verwöhntheit hinterlassen, daß er nicht mehr einfach zufrieden war und es nicht mit jeder probieren konnte. Mit dieser Lehrerin hätte er es sich nur gemütlich machen können, wenn er sich zuvor gehörig betrunken hätte, – aber auch das wußte er schon vorher: elende Gemütlichkeit; Trinken allein ist besser, und weil er das wußte, graute ihm vor dieser Gemütlichkeit. Deshalb hatte er seine Briefordner wieder aufgeschlagen – du kannst gehen, sagte er zu der Lehrerin.
    Sie sagte: Ich fürchte mich!
    Den Kapitän erboste dieses ewige „ich fürchte mich“ der Einheimischen. Er hatte doch im Dorf halbwegs Ordnung gemacht, hatte sogar ein paar harmlose Hühnerdiebe einsperren lassen!
    Da erzählte ihm die Schwarzhaarige von dem unheimlichen Kolja, diesem Unhold zu Pferd. Bleich und mager saß sie auf dem ehemaligen Sternensofa Susannas und blinzelte und schielte, und brachte alles kalt und wollüstig hervor: ein Ungeheuer, ein Leute-Ängstiger, hält die Frauen an und stiert ihnen ins Gesicht wie ein Irrer, läuft den Kindern nach, er ist ein kentaurisches Gespenst, er ist dies und das, und vom Nachmittag an macht er seine Runde, und schreit die Leute heraus, sie müssen sich aufstellen, er durchstöbert die Häuser, in fünf Häusern hat er es so gemacht heute!
    In Wirklichkeit waren es drei Häuser gewesen, und der Kapitän war auch nicht so leicht geneigt, der eifernden Lehrerin das alles zu glauben; erst als sie ihm sagte, daß dieses berittene Gespenst von auswärts käme, von weither, horchte er auf. Er fühlte sich betroffen in seinem Hausrecht. Wieso nahm sich da jemand heraus, ihm den Frieden im Dorf zu stören, – und beritten, das hatte er zuvor überhört.
    Die Lehrerin sagte: Ja, ein Offizier, und niemand weiß, woher, und niemand weiß, was er will.
    Da erwachte sein Interesse. Er rief den Oberleutnant Spasso. Die Lehrerin verstand nicht, was die beiden leise miteinander sprachen, sie verstand nur das Wort Rayon, aber sie begriff, daß der kleine Spasso ihre Angaben bestätigte. Der Kapitän sagte zu ihr: Du kannst gehen!
    Sie wieder: Ich fürchte mich!
    Der Kapitän deutete auf Spasso und sagte: Hier hast du eine Begleitung!
    Spasso sah auf die Lehrerin, er empfing einen raschen Blick von ihr, sie lächelte. Er wurde wieder rot, er wagte es nicht, das Lächeln zu erwidern.
    Der Kapitän sagte zu der Lehrerin: Und du, kleine Katze, kannst den Leuten sagen, sie brauchen sich nicht mehr zu fürchten. Morgen, wenn dein Berittener wieder auftaucht, lasse ich ihn festnehmen!
    Die Lehrerin antwortete ihm nicht, sie hatte sich dem blassen Spasso zugewandt, und nun, da sie ihn betrachtete, als ob er zu ihr gehöre, sah sie nicht mehr wie eine beliebige Person aus, sondern wie ein Mensch, der sich scheu und gern zu einem anderen Menschen stellt; ein wenig war auch sie rot geworden.
    Der Kapitän blieb allein zurück. Nun konnte er an Susanna denken. Es zog ihn zu ihr. Ob auch sie sich fürchtete wie die anderen Leute vor diesem Berittenen? Nein, sie fürchtete sich nicht so leicht. Aber vielleicht konnte er von ihr erfahren, was an der Sache überhaupt war?
    Er trat durch die Gartenpforte – er erinnerte sich, hier hatte sie seine Begleitung ablehnen wollen. Er ging weiter durch das Dorf, den Anger entlang, auf die freie Wiese. Bei dem Haus der Fini klopfte er an. Aber nur Fini trat ihm entgegen. Der Kleine schlief, und Fini flüsterte. Nein, die Frau ist nicht da, sie ist weggegangen, und ich weiß nicht wohin, oh,

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