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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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ich fürchte mich!
    Warum so viel Furcht? fragte der Kapitän ungeduldig.
    Fini schwieg.
    Warum überall so viel Furcht? fragte der Kapitän wieder mit harter Stimme und legte seine Mütze auf das Bett, – Sie werden jetzt sprechen!
    Hier nun erfuhr er die Geschichte von Kolja, erfuhr von unpassenden Besuchen, lästiger Nachstellung, abenteuerlichen Umtrieben; er rieb sich leicht die Haarbürste – eine höchst alberne Geschichte war das. Ein junger Leutnant von draußen, aus dem Ort an der Straße, wie, kaum zwanzig, ein törichter Junge, und dies also war es gewesen! er hatte sich in Susanna vergafft, und sie war ausgerissen vor ihm.
    Der Kapitän hörte zu. Jetzt konnte er alles verstehen. Ein Offizier, aber ein unvernünftiges halbes Kind noch, und Susanna hatte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen wollen, deshalb ihre Weigerung, ihm den Namen zu nennen, das sprach nun doch für sie, und er hatte ihr Unrecht getan mit seinem eifersüchtigen Mißtrauen! Aber nun stellte ihr dieser kindische Held im Dorf nach und versuchte sie auszukundschaften und benahm sich unwürdig und närrisch, ein Betrunkener, der die Leute belästigte.
    Der Kapitän war erleichtert. Und deswegen Furcht, sagte er, – oh, bei euch ist immer gleich Furcht. Aber ich werde das abstellen. Wenn er morgen kommt, wird er sich wundern, wir werden ihn uns ein bißchen ansehen. Morgen keine Furcht mehr!
    Er nahm seine Mütze. Fini sah ihn respektvoll an. Das ist, dachte sie, ein anderer Mann als Kolja, selbst als Herr von Wilnow, nicht mehr jung, aber wie er redet, – man merkt sofort, er ist unabhängig, ein Mann an der Spitze! Fini war dem Kapitän noch nie begegnet, er war ja meist unsichtbar in der Villa, und was man von ihm hörte – Fini verstand nicht ganz, daß dies derselbe Mann war, die schwarzhaarige Lehrerin ging zu ihm, und Frau Jorhan hatte er verjagt. Aber vielleicht war das alles Mißverständnis gewesen, vielleicht wollte er bloß nicht allein sein und meinte etwas anderes, nicht was ihm die Leute nachsagten? Ein solcher Mann war doch immer allein. Aber jetzt hatte er sich anders besonnen. Statt jemand einzuladen, trat er selber hervor und kümmerte sich, wie es den Leuten ging. Ihr jedenfalls kam er vor wie ein väterlicher Beschützer, der erschienen war, um Ordnung zu machen. Oder tat er alles nur Frau Jorhan zuliebe? Fini witterte Verbindung, ihr alter Trieb meldete sich. Wollen Sie nicht warten? fragte sie.
    Der Kapitän zögerte, sie rückte ihm einen Stuhl hin, er setzte sich. Er hielt seine Mütze in der Hand, mit der Innenseite nach oben. Aber nach einer Weile kehrte er sie um und stand entschlossen auf. Nein, das ist nicht gut, kein Besuch, keine Störung! Und er verabschiedete sich.
    Als er im Finstern heimging, überlegte er sich die Sache. Für ihn war diese Koljageschichte Narrheit, eine Manie, ein junger unreifer Offizier hatte sich da verrannt. Am besten, man griff den Jungen bei nächster Gelegenheit auf, ließ ihn ein paar Stunden Arbeitsdienst tun und machte ihm dann klar, daß er hier in dem anderen Rayon nichts zu suchen hatte. Das war einfach, über jeden Zweifel erhaben, eigentlich nur eine Dienstangelegenheit.
    Aber was Frau Jorhan anging, das war nicht so einfach. Sehr gern wäre er geblieben in der kleinen Stube, hätte auf sie gewartet, ein wenig gesprochen mit ihr; nun war er froh, es nicht getan zu haben. Nein, sagte er sich, das darf jetzt nicht wieder so anfangen.
    Er machte sich Vorwürfe, daß er sie damals ausgewiesen hatte, – nur, was hätte er anders tun sollen? Der Abend mit ihr – etwas Äußerstes war zwischen ihnen geschehen, – aber davon hatte nichts weitergehen können, bei ihnen beiden nicht; er hatte es abschneiden müssen wie etwas nicht Geschehenes. – Inzwischen war Zeit vergangen, er war darüber hinweggekommen, er war wieder bloß der Kapitän. Nur Unruhe war ihm von dem Ganzen immer doch geblieben, und nun war sie zurückgekommen. Er sah sie, mußte an sie denken, wie weit ging das schon wieder? Er empfand Mitleid für sie. Ein wenig wußte er nun von ihrem Leben. Sie hatte ja wohl irgendwo ihren Mann, und dann gab es diesen andern Mann, aber sie hatte niemand, bei dem sie Schutz suchen konnte. Und wie sollte sie sich helfen, wenn immer jemand hinter ihr her war?
    Der Kapitän schnaubte vor sich hin. War es seine Aufgabe, Beschützer zu spielen? Es paßte ihm gar nicht, aber er sagte sich: ich müßte mich kümmern um sie, ich müßte dafür sorgen, daß sie Frieden hat.

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