Der Schritt hinueber - Roman
zusammen, Staubbildern. Sie stand auf und trank Wasser. Sie saß im Nachthemd am Tisch und wünschte, irgendjemand käme herein und machte dem allem ein Ende. Sie war nicht verrückt, sie kam sich nur trotz Fini und dem Jungen, die neben ihr schliefen, unendlich einsam vor wie hinter einer Wand, die keine war. War es denn schon so weit? hier, wo sie saß, die andere Luft, als ob sie vom Leben abgedichtet wäre? die geschlossene Zelle, in die nie mehr ein Laut dringen würde? Alles lautlos. Nur die Staubbilder kamen herein: Koljas weiße Brauen aus Asche, und Axels forschende Augen, Kohlestückchen, auch zu Staub erloschen, und dann die Staubfahnen, die nichts anderes waren als Fragen: bist du da, – ach, mit meinen beiden Augen, Kosanna. –
Da war noch der Brief ihres Mannes, mit Schriftzeichen aus Staub bedeckt. Auf den mußte sie antworten, oder hatte sie es schon getan? Sie dachte wieder an den Kapitän: da war sie endlich stille, und war sogleich auch vernünftig. Der Kapitän konnte ihr die Erlaubnis geben, in die Stadt zu gehen, – aber das war unmöglich, er gab niemals diese Erlaubnis, höchstens für die Pfarrer machte er Ausnahmen, die erhielten Passierscheine. Aber dieses Unmögliche war doch das einzig Wirkliche, das nicht hinter der Wand und in Staubbildern geschah, und ihr war, als rühre sie an einen festen Körper.
Vielleicht sagte der Kapitän: Passierschein, nein! – Das tat weh, aber das war ja auch noch wirklich, daß etwas weh tat. Sie nahm sich vor, ihn aufzusuchen. Sie schlief auf dem Stuhl ein, sie schlief dann lange in den hellen Tag, Fini draußen schnitt Zuckerrüben, der Junge sah ihr vom Brunnenstein aus zu und krähte mit heller Stimme.
Fünftes Kapitel
Das Paradies
Der Kapitän war schon lange auf. Am frühen Morgen hatte er seine Post empfangen und erledigt und hatte dann auf dem Kirchenplatz seine Stabskompanie antreten lassen. Er hatte vor der versammelten Mannschaft allerlei bekanntgegeben über Disziplin und Ruhe im Ort. Dann hatte er die Leute truppweise eingeteilt, sie sollten abrücken in den Wald, sie sollten dort junge Fichten fällen und sie heranfahren und links und rechts der Dorfstraße und auf dem Kirchenplatz in Abständen eingraben, und wo die Straße weiterging, sollten sie ein hölzernes Tor errichten mit Reisig und Bändern und Fahnen. Die Leute hatten sich gewundert, sie hatten nicht begriffen, warum sie hier das Stück Straße und den Platz in eine künstliche Allee und einen Hain verwandeln, warum sie einen Wald ins Dorf pflanzen und ein Tor machen sollten, auf beiden Seiten nur in die gleiche Luft; und die Fichten würden doch bald abdorren und die Bänder verbleichen. Aber der Kapitän sagte, daß es immer erneuert werden solle. Er war mit diesem fertigen Plan aufgestanden am Morgen. Er hatte sich erinnert an seinen Vorsatz: es soll keine Furcht mehr geben; er hatte deshalb den Leuten gepredigt von Ruhe und Ordnung, und ihnen erklärt, daß es nun darauf ankäme, die Ordnung auch sichtbar zu gründen, und also einen Wald zu pflanzen im Dorf; der roch dann und grünte eine Weile fort zwischen den kahlen Mauern aus Stein und Lehm. Wald, ein Stück Heimat in dem fremden, von Armut und Plagen erfüllten Dorf. Und nun saß er in seinem Dienstzimmer und stellte sich vor, wie er diesen seinen Gedanken der Frau Jorhan mitteilen würde. Für sie zu allererst machte er ja die neue Ordnung, Heimat und ein Tor, durch das man hinausgehen konnte in eine weite andere Luft, und ihr wollte er noch sagen, daß sie aber nicht zu gehen brauche, sie sollte innen bleiben und sich sicher fühlen.
Der Kapitän rief den Oberleutnant Spasso und ordnete ihn ab zu Susanna, ihr auszurichten, sie solle nachmittag in die Villa kommen und sich eine schriftliche Aufenthaltsgenehmigung holen. Der Kapitän dachte, ich muß ihr etwas dergleichen anzeigen, wenn ich sie herbestelle, sonst denkt sie am Ende wie damals, es ist Ausweisung; und er schrieb auch eine solche Genehmigung aus. Es war noch immer Vormittag, helles Licht, eine freundliche Welt unter dem Regiment eines Mannes, der sich nun endlich zur Ordnung durchgerungen und sich auf sich selbst besonnen hatte, er hatte geliebt, verzichtet, seine Aufgabe erkannt. Nun konnte er alles gut machen in seinem Bereich, und Staub wirbelte nur auf von den Tritten seiner Leute, die nun in Trupps gegen den Wald hinzogen. Sie sangen dabei, und noch vom Wald her tönten später ihre Lieder, kraftvoll und traurig, langgezogen, Soldatenlieder,
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