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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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sagte sich: Ich habe einen Hund erschossen, ich kann dem Hund also nicht mehr begegnen. Aber jedesmal, wenn mir in einer Furche ein Hund entgegenläuft, durchfährt es mich: das ist er, – und ich denke, es ist eine Spur.
    So schwankte der Leutnant Kolja auf Geisterspuren dahin. In seinen Milchaugen schwamm die Einbildung, aber nun kam er zu den „Waldfeen“ und wurde gestellt. Die Leute trugen Schulterstücke und Distinktionen und wichen ihm nicht aus; und auch die grünen Fichtenwipfel grüßten ihn links und rechts in wohlgemessenen Abständen, freundlich geordnet und künstlich eingepflanzt. Von dem öden verwahrlosten Dorfplatz, auf dem sich Kolja an den Tagen zuvor zwischen Pfützen und Misthaufen getummelt hatte, war nichts mehr zu sehen; statt dessen stieß er auf dieses hübsche Reich, mit dem sich der Kapitän die Waldfeeheimat hergezaubert hatte. Kolja war ein wenig betrunken, er verstand nicht die einzelnen Worte, mit denen ihm die Leute, die ihn ins Gespräch zogen, erklärten, was hier vor sich ging. Die Waldfeen, sagten sie; die Worte zeichneten sich in die Luft. Kolja dachte, das höre ich nur nicht deutlich; aber es leuchtete ihm alles ein. Eine einfache Sache: der Kapitän, ein erlösendes Wort, Befehl von oben, ein Tag Arbeitsdienst, und nun roch es überall nach Harz. Oh, er konnte es verstehen: zwischen den Lehmwänden und kalten Steinen ein Stück Heimat in dem fremden Land, Waldsiedlung, dichte Wipfel voll buschiger Nadeln und die geheimnisanzeigende Figur, wie sich die Äste verzweigten, und hier ein Tor aus frisch geschälten Stämmen, fest eingerammte Pforte: das hatten sie öfters gemacht an Orten, die sie erobert hatten und gewonnen; – und so machte es der Kapitän. Plötzlich ernüchterte sich Kolja. Er hatte den Kapitän bis dahin nur von fern gesehen, nun erinnerte er sich: der Kapitän war der Vorgesetzte, ihm durfte er nicht begegnen, es ging nicht an, daß ein berittenes Gespenst hereinstreifte bis in das Dorf, in dem der Kapitän mit seinem Stab lag. Aber als ihm das einfiel, war es zu spät.
    Der Kapitän sagte zu Kolja: Mein Bruder, wir sind gar nicht allein. Sie täuschen sich. Wir sind gar nicht in einem fremden Land, das ist eine falsche Vorstellung, und wir müssen uns hier Mühe geben, sie zu berichtigen. Wir haben von unserer alten Waldfeeheimat etwas hier vorgefunden, ich habe das nur umordnen müssen, ich habe das jetzt hier an Ort und Stelle eingepflanzt, damit wir nicht allein sind, und damit es endlich überall richtig wird! Und wenn das abwelkt, machen wir es neu, das kostet nur wenig Arbeit, Sie können es sich ansehen, und dann können Sie wieder gehen, dann wissen Sie, wie es ist!
    So sprach er aber erst später. Im ersten Augenblick ging der Kapitän nicht so aus sich heraus. Er begann mit anderen Worten. Er stand breitbeinig unter dem hölzernen Tor und sagte: Aha, schon angekommen! Auf Sie habe ich gewartet, treten Sie näher!
    Kolja sammelte sich zu einer Ehrenbezeigung. Aber der Kapitän ließ sich damit nicht abspeisen, er wollte eine Meldung haben. Kolja konnte nur melden, daß er auf einem Spazierritt begriffen sei. Das war dem Kapitän zu wenig, Spazierritte ins Stabsquartier waren nicht statthaft. Der Kapitän sagte: Versorgen Sie Ihr Pferd und kommen Sie mit!
    In der Villa nahm er ihn ins Gebet. Kolja mußte es als Verhör auffassen, er hatte zu erklären, wieso er sich denn hier herumtreibe Tag und Nacht und die Leute belästige. Aber dann wurde es für einen Augenblick schon etwas anderes als Verhör. Es wurde väterliche Unterhaltung. Kolja hatte mit dem Kapitän noch nie zu tun gehabt, nun sah er ihn aus der Nähe, die dichte graue Haarbürste, den strengfreundlichen Blick, und faßte Zutrauen. Er merkte es an einem eigentümlichen Summen im Kopf, wie der Wille des Kapitäns über ihn Macht gewann; Beruhigung, Strömung, Wohlgefühl, hier konnte er alles loswerden, sich aufschließen. Er war solange einsam gewesen, hatte mit niemand sprechen können, – nun redete er einfach: Nein, so ganz ohne Grund triebe er sich denn doch nicht herum in der Gegend, und Meldung, – wenn es eine Meldung sein solle, dann hätte er vielleicht doch eine zu machen!
    Und das wäre? fragte der Kapitän.
    Kolja – es hatte doch immer in ihm fortgeschwelt – sagte: Eine Frau!
    Das dachte ich mir, sagte der Kapitän, es ist immer eine Frau.
    Kolja antwortete: Sie ist weggelaufen. Und sie durfte nicht weg!
    Der Kapitän sagte, wenn sie nicht wegdurfte – aber von wo,

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