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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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und wieso nicht wegdurfte, was hat da vorgelegen, ich müßte doch Meldung bekommen haben darüber, Spasso hat mir nichts gemeldet. Wenn etwas vorgelegen hat, warum habe ich da nicht sofort Meldung bekommen?
    Es war alles zu unbestimmt, sagte Kolja. Ich kann mich auch getäuscht haben.
    Worin getäuscht, fragte der Kapitän, das ist keine Meldung, – ich kann mich auch getäuscht haben. Sie sollen jetzt eine Meldung machen. Ihre Wahrnehmungen, bitte!
    Kolja richtete sich auf. Es gibt keine Wahrnehmungen.
    In dem Augenblick klopfte es an der Tür, und Susanna trat ein.
    Diese Szene fand hinter verschlossener Tür statt, ohne Zeugen. Draußen im Vorzimmer waren nur belanglose Leute geblieben, der Oberleutnant Spasso, einige Schreiber und die Posten der Wache vom Dienst. Also gab es heraußen keine Spiegelung dessen, was drinnen geschah. Da war Dienstbetrieb, und die Zeit lief weiter, drinnen war die Zeit unterbrochen durch die Gegenwart des Kapitäns, der ja die Dinge erst machte. Im Vorzimmer ließ sich, was drinnen geschah, vorstellen als Vernehmung, Streit, Beschuldigung, Urteil oder auch bloß als Gespräch, aber wie es wirklich geschah, ließ sich nicht vorstellen. Es war vielleicht Vernehmung oder Urteil oder Gespräch, aber es war nicht ein Vorgang, der auf gewöhnliche Weise Zeit verbrauchte und sich als Vorgang überhaupt darstellen ließ. Weil es in dem Zimmer des Kapitäns keine Zeit gab, stellte sich auch nichts faßbar dar, daher die bloße Vermutung, – es konnte sich so abgespielt haben bei dem Kapitän.
    Diese Leute sind leicht aus der Fassung zu bringen, dachte der Kapitän, und ich selber habe da anfangs nicht sehr viel vor ihnen vorausgehabt. Aber inzwischen geht es mir besser damit, weil ich jetzt abschätzen kann, was los ist. Also soll mich das nun nicht aus der Fassung bringen: diese Frau, die auf Kolja sieht mit einem Gesicht wie weißes Tuch, und dieser Kolja, der sie anstarrt mit seinen Milchaugen, als ob er sie gar nicht sähe. Vielleicht sehen sie einander auch gar nicht. Er starrt sie ja an wie ein Gespenst, und sie wird sogleich davonlaufen, entschwinden wie ein Geist. Aber ich werde ihnen das nicht durchgehen lassen, diese Geisterei, – ich will Ordnung machen, ich habe mir geschworen, daß hier endlich Ruhe wird. Heute ist ein ausgezeichneter Tag, wir haben einen Anfang schon gemacht, wir haben uns Bäume gepflanzt und haben eine Waldheimat geschaffen in dieser unfruchtbaren Fremde.
    Nun sprach er auch schon, und Kolja und Susanna sahen ihn zum Fenster treten, er sagte: Man erkennt diesen Ort nicht wieder, finden Sie nicht auch? Wie es gestern noch ausgesehen hat! Ich wollte mich heimisch machen hier, haben Sie Phantasie, dann ist es doch wie zuhause, – und er winkte einem Trupp Leute zu, die ihre Sägen und Äxte in den Holzschuppen drunten einräumten. Als die Leute den Kapitän erblickten, begannen sie zu singen, es drang herein.
    Kolja in seiner schmutzigen Uniform errötete verlegen, dann aber drückte er auf sein Gesicht die Miene pflichtgemäßer Aufmerksamkeit. Susanna blieb unbefangen. Sie hörte und sah alles, hörte das Lied, sah dieses schöne Reich Waldfee draußen.
    Sie blickte auf den Kapitän, der dies alles hier veranstaltete und sich damit umgab wie mit einer Gloriole. Sie hörte ihn sprechen, und auch Kolja sprach, und sogar sie selber, aber es war, als seien sie getrennt auf verschiedenen Schauplätzen und hätten Mühe, einander zu verstehen.
    Machen wir es kurz, sagte der Kapitän, diese Sache – mir wird jetzt Verschiedenes klar, und leider bin ich nicht ganz unbeteiligt daran, – aber sie muß in Ordnung kommen. Es muß überhaupt alles in Ordnung kommen. Also, was war? Das heißt, wir wissen ja alle, was war, aber jetzt wollen wir es aussprechen!
    Susanna stand für sich. Ihr Kleid machte eine helle Wolke in dem Zimmer. Sie hörte sich sagen: Oja, gern, wenn uns das gelingt, wenn es sich aussprechen läßt.
    Meine Wahrnehmungen, begann Kolja.
    Der Kapitän sagte: Sie waren natürlich betrunken!
    Kolja wischte sich über die Augen. Es war, als nähme er eine Schutzhaut von ihnen fort. Ich war betrunken, ich war auch nicht gut, jawohl. Aber betrunken, wie jetzt immer. Ich habe noch unterscheiden können, ob da im Hof ein mir bekannter Mann herumläuft.
    Welcher bekannte Mann? fragte der Kapitän.
    Ich sage, ein mir bekannter Mann, mehr kann ich nicht sagen, man sieht es doch, wenn es ein bekannter Mann ist. Ich könnte auch sagen, der Bauer, aber ich sage

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