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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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lieber, ein bekannter Mann. Oder ob es zwei waren, zwei Unbekannte, auf einmal soll gar niemand dagewesen sein, und ich soll mir einreden lassen, daß es sie nicht gegeben hat.
    Von wem einreden? fragte der Kapitän. In seine Worte mischte sich der Gesang der Leute vorm Fenster.
    Ich werde vernommen, sagte Kolja, Sie zwingen mich doch, auszusagen! Diese Frau – wie Sie schon wissen. Er blickte verzweifelt. Aber vielleicht gibt es auch diese Frau gar nicht, vielleicht gibt es uns alle noch nicht, und wir müssen uns erst kennenlernen?
    Seine Augen gingen zwischen dem Kapitän und Susanna hin und her, als warteten sie auf ein Zeichen.
    Wenn ich vernommen werde, sagte Susanna leise. Sie sprach vor sich hin. Ich soll wohl vernommen werden, da muß ich sagen, ich glaube, das stimmt nicht. Sie wandte sich an Kolja. Ich glaube, es gibt uns längst nicht mehr so, wie wir waren.
    Kolja streckte angestrengt den Kopf vor, als könne er selbst über die kurze Entfernung ihre Worte nicht verstehen. Der Kapitän hinwieder gab nicht zu erkennen, ob er Susanna verstanden habe. Er wandte sich an Kolja und beruhigte ihn. Also hören Sie, es genügt durchaus, wenn Sie sagen, ein bekannter Mann. Und wir werden ja feststellen, was es gibt und was nicht. Wir werden die Wahrheit feststellen. Aber wollen Sie gefälligst nun der Reihe nach berichten?
    Jawohl, berichten, sagte Kolja und nahm sich zusammen, aber nun kam freilich alles so heraus, als spreche er über fremde Personen. Der Kapitän hörte eine neue Version von Susannas Geschichte mit Kolja. Er hörte zum erstenmal von den zwei Flüchtlingen und von Kosannas Überredungskünsten, den Leutnant glauben zu machen, es sei gar niemand im Hause, und hörte zuletzt das Wort Betrug. Er sagte: Betrug, wieso nennen Sie es Betrug?
    Kolja sagte: Weil sie mir weggelaufen ist, weil sie weg war am anderen Abend!
    Der Kapitän sagte: Aber wieso Betrug? Das hat doch nichts zu tun mit der Sache. Diese Flüchtlinge, von denen Sie immerzu reden – angenommen, es waren wirklich welche da und nicht bloß Ihre Eifersucht hat sie Ihnen eingebildet – die hatten doch bis zum anderen Abend längst Gelegenheit, zu entwischen – warum hätte die Frau da ausreißen sollen vor Ihnen? Wieso also Betrug? Ich sehe ganz klar, sie ist weg, weil sie von Ihnen bedroht worden ist! Das ist die ganze Sache!
    Da meldet sich Susanna selbst: Nein, das ist nicht die ganze Sache, und es ist schon richtig, es war Betrug!
    Wie, fragte der Kapitän, – Sie wollen doch nicht zugeben, daß da wirklich Leute gewesen sind?
    O nein, keine Leute, sagte Susanna lebhaft. Dabei dachte sie, wenn ich es zugebe, muß er mich einsperren, ja, jetzt ist er in seinem Element, Waldfee und Ordnungmachen, und auch den Leutnant müßte er bestrafen. Ich muß also alles noch einmal herlügen. Wieder war ihr, als habe sie es auf der Haut, den Schmelz der Lüge, der sich nie abnützte, sie war perfekt darin, sie spürte es im Gesicht, eine dauerhafte Lasur, unempfindlich gegen jede Witterung von Wahrheit.
    Sie sagte: Nein, es hat keine Flüchtlinge gegeben dort oben, nur der Leutnant hatte auf einmal diese Idee und war nicht abzubringen davon, er wollte ja auch das Haus anzünden, und nur wenn ich hinausginge zu ihm, wollte er mir glauben. Also bin ich hinaus, – aber dann habe ich ihm gesagt: morgen! Ach ja, – das wars! und das ist die ganze Sache und ist schon richtig Betrug. Ich habe es ihm versprochen und bin es ihm schuldig geblieben.
    Betrug, sagte der Kapitän, wenn er Sie erpreßt hat, dann ist es auch kein Betrug. Und wenn das die Wahrheit ist …
    Er sah sie an, sie schwieg. Er sah auf Kolja. Auch der schwieg, er blickte auf Susanna. Sie standen voneinander getrennt, sie konnten nicht sprechen.
    Der Kapitän sagte: Wenn das die Wahrheit ist – er schüttelte den Kopf, – ich gebe zu, es ist manchmal schwierig, einem Menschen zu glauben. Aber wenn das die Wahrheit ist, dann wäre Ihnen doch auch der Leutnant etwas schuldig geblieben. Er hätte Ihnen glauben müssen ohne dieses – wie Sie sagen, Hinausgehen. Ich verstehe das gar nicht. Man kann das doch nicht so machen. Entweder glaubt man oder man glaubt nicht! Da kann man keine Bedingungen machen! Es ist ja nur ein Entschluß: Glauben!
    Susanna sah an dem Kapitän die Haarbürste, aber sie sah auch die Waldfeegloriole. Sie sagte: Ja, wenn er mir geglaubt hätte …
    Aber sie hatte den Kapitän unterschätzt. Er sagte: Gewiß. Ja. Aber nehmen wir einmal an, es wären wirklich

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