Der Schritt hinueber - Roman

fühlen sich zuhause. Und das ist der Anfang der Ordnung. Wie zuhause.
    Das Paradies, sagte Spasso.
    Wie?
    Die Leute nennen es Paradies.
    Der Kapitän trat ans Fenster. Von unten kam Gesang herauf, Harzduft, Gesang und auch der Geruch frisch gebrochenen Rasens. Seit zwei Tagen ließ der Kapitän Rasenstücke auflegen, er hoffte, daß sich die großen viereckigen Stücke, die er vom Waldrand abzuheben befahl, einwurzeln würden. Er fragte: Wie alt ist er?
    Einundzwanzig.
    Und wieso konnte er einfach immer so herumlaufen?
    Man hätte das hier früher beginnen müssen, sagte Spasso.
    Im Vorraum polterten Stiefel. Spasso trat leise zurück und empfing von zwei Leuten aus seiner Streife Meldung, er trat wieder ins Zimmer und sagte:
    Die gewissen Gründe, ich dachte, es hat keinen Zweck, ihn mit der ganzen Streife bloß zu verscheuchen. Ich habe die Leute einzeln ausgeschickt, man muß beobachten, wie er sich verhält. Hier sind drei neue Meldungen. Zweimal Einbruch in abgelegenen Häusern. Er hat sich Proviant verschafft. Einmal hat er sich an der Mühle gezeigt. Wenn man ihn so beobachtet …
    Der Kapitän mußte jetzt antworten. Er sagte: Und Sie meinen nicht, das sieht dann aus, als ob wir die Sache verschleppten?
    Es kommt drauf an, Herr Kapitän. Ich möchte mir erlauben, zu sagen, es kommt auf das Ende an. Wenn er uns durchgeht, wenn er desertiert, – er braucht bloß über die Straße zu wechseln nach drüben.
    Da wird geschossen!
    Wenn man ihn dabei erwischt, wird geschossen.
    Hören Sie, Spasso, sagte der Kapitän, das mit den einzelnen Leuten ist gut. Und wenn es gelänge, wenn Sie zum Beispiel als einzelner gingen und bekämen Kontakt mit ihm, und Sie machten ihm klar, wie die Sache für ihn steht, und er macht Ihnen auch klar, wie das eigentlich zugegangen ist.
    Das ist schon klar, Herr Kapitän. Es war ein ganzes Magazin.
    Vier Schuß, nicht ein ganzes Magazin, Spasso! Jawohl, viermal getroffen, Herr Kapitän. Zwei Projektile haben wir am Boden gefunden. Und nach den von mir ermittelten Tatsachen …
    Der Kapitän unterbrach ihn: Aber vielleicht hat ein Kampf stattgefunden?
    Nach unseren Unterlagen …, Spasso stockte. Der Kapitän sah ihn an. Sie meinen, Ihre Tatsachen und Unterlagen …
    Jawohl, sagte Spasso. Ein Kampf hat nicht stattgefunden. Der Mann hatte ja keine Waffe. Es war Mord. Hier sind keine Zweifel.
    Der Oberleutnant Spasso führte dieses Gespräch nicht zum erstenmal. Er sah auf den Kapitän, und seine kindlich blauen Augen blickten hinter den Brillengläsern, die sie vergrößerten, wie beschwörend. Der Kapitän antwortete nichts. Spasso hörte nur den Gesang von draußen, aber plötzlich hörte er doch eine stumme Antwort des Kapitäns, und nun sagte er:
    Jawohl, ich werde es versuchen!
    Er dachte, ich muß es versuchen, denn der Kapitän ist zu nichts imstande, und am Ende geht er noch selbst hinaus, um Kolja zu treffen. Er will ja gar nicht, daß wir ihn fangen, er will überhaupt nicht, daß dies alles geschehen ist, weil es ihn in seinem Paradiesplan stört. Er hat ein Paradies aufmachen wollen, aber das geht nicht. Jetzt muß er auf jeden Fall die Gerechtigkeit wiederherstellen!
    Der Kapitän sagte: Das ist gut, Spasso. Denn von diesem Bauern bringen wir ja doch nichts mehr heraus. Was meinen Sie, wir lassen ihn jetzt frei! Nehmen Sie noch ein Protokoll auf mit ihm!
    Spasso ging in den Kohlenkeller der Jorhanschen Villa, dort saß Bemelman auf einer umgekippten Schreibtruhe. Spasso ließ sich von ihm die einzige Aussage wiederholen, die er zu machen hatte: er sei der Frau Jorhan kurz vor Mittag am Weg gegen den Wilnowschen Wald hin begegnet. Am Nachmittag auf dem Rückweg habe er an der anderen Seite des Waldes Herrn von Wilnow aufgefunden. Er habe es nur beim Pfarrer melden wollen, aber sein Weib habe ihm eingeblasen, auch auf die Kommandantur zu gehen. Und zum Dank dafür sitze er nun hier fest.
    Ruhig, sagte Spasso, Sie können gleich nachhause gehen!
    Er ließ sich das andere noch erzählen, das nicht Aussage war und das ihm auch Fini bestätigt hatte und ebenso alle Leute im Dorf und im Lager am Bahnhof, alle, die er befragt hatte: die Geschichte von Kolja und Susanna, dann von Axel mit dem Hund, dann von Koljas Geisterritten. Er hörte aufmerksam zu. Zuletzt fragte er:
    Halten Sie es für möglich, daß er nochmals zu Ihnen kommt? Das wäre doch möglich?
    Wer? fragte Bemelman.
    Der Leutnant Kolja, natürlich!
    Zu mir, nochmals zu mir, sagte Bemelman furchtsam.
    Na, keine