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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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und hat einen Freund, und Kolja läuft ihr nach, und du läufst ihr nach.
    Sie griff wieder zu der Flasche und schüttelte sie. Es ist ja zum Lachen, da spreche ich zu dir, als wäre ich eifersüchtig. Vielleicht bin ichs, ich weiß nicht. Aber jemand muß es dir sagen. Wenn Spasso nicht wäre, könntest du nicht hier sitzen und einen netten Abend verbringen!
    Der Kapitän rührte sich nicht weg vom Fenster. Er sagte: Ja, ein netter Abend. Aber was denkst du, wie sie ihn verbringt?
    Spasso saß eingezwängt zwischen Bank und Tisch in der Höhle des Bemelmanhofes, die Lampe flackerte, er schlief und schlief doch nicht, er hörte die Nacht um das Haus gehen. Er horchte auf die Geräusche und war bereit, aufzuspringen, wenn es etwas anderes war als Vogelzirpen und Tiergeraschel und leises Erschauern des Laubs in der Kühle.
    Ein paar Leute von Spassos Streife lagen in der Dienstbotenkammer der Jorhanschen Villa auf ihren Pritschen und schliefen. Mürrisch fuhren sie hoch, als die Ronde kam und sie zur Ablösung weckte. Aber dann war es eine freundliche Wache unter dem Augusthimmel bei stiller Luft und längst abnehmendem Mond. Die Sternschnuppen sprühten auf dem Himmel, der nicht völlig schwarz war, sondern ein wenig Blau behalten hatte, eine Zaubernacht, und die Waldfeen nickten im Kreise.
    Die Schwarze saß auf der Tischkante und beobachtete den Kapitän, nun war sie wütend.
    Du solltest dich schämen, daß du noch immer an sie denkst! An mich denkst du überhaupt nicht. Ich bin gar nicht da für dich!
    Ja, das stimmt. Du bist gar nicht da.
    Das Zimmer war dunkel, er konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Er drehte sich um, zum Fenster, und versuchte, sein Paradies zu erkennen. Er wiederholte sich dieses Bild, es ließ ihn nicht im Stich: Fini mit dem Kinderwagen, Susanna als Waldfee zwischen ihren Schwestern, Tag, und die Villa grün angestrichen, das war ein Symbol für die grüne Machtwolke, aus der er hervorsah. Die Posten gingen zu zweit auf und ab, sie glätteten den Rasen und verwandelten die künstlichen Bäume in echte Bäume, und am Tor lag der Hund angekettet und spielte mit Koljas Pferd, das neben ihm graste. – Alle lebten paradiesisch nun und ungekränkt und heil. Das Paradies war ihnen zurückerstattet worden, nun erst lebten sie, und auch der ermordete Herr von Wilnow lebte.
    Nun war allerdings noch einer zu erwarten, den man weder als Lebenden kannte, noch zu den Toten zählte. Man mußte auf Herrn Jorhan warten, den Mann der jungen Frau, und deswegen gab es einige Unruhe. Ein Mann, der vom Paradies noch nichts wußte, man mußte ihm erst erklären, daß sich seine Frau hier eingewurzelt hatte, – man mußte ihm diese Veränderung erklären.
    Die Frau auf der Tischkante sagte: Daß ich nicht wirklich da bin, hat mir noch niemand gesagt, das hat mir nicht einmal Spasso gesagt. Er ist so jung, für ihn wäre ich gern da gewesen. Das sage ich dir, auch wenn es dir nicht paßt. Spasso ist mehr wert als du. Er tut mir leid. Du tust mir auch leid. Aber daß dir die andere weggelaufen ist, das versteh ich jetzt. Vielleicht hast du auch ihr gesagt, sie ist nicht da. Du mit deinem Hirngespinst von Park und Paradies – seit wann seid ihr denn fromm?
    Der Kapitän hörte nicht auf sie.
    Er fragte: Was wird er machen?
    Die Frau blickte argwöhnisch zum Fenster. Hast du was gewollt?
    Nein.
    Ich dachte. Hast du nicht was gesagt?
    Ich habe gesagt, was wird er machen.
    Also hast du doch was gesagt. Ich habe es ja gehört. Wer soll was machen?
    Ihr Mann!
    Oberleutnant Spasso lag auf der Bank vorm Ofen. Er wachte für einen Augenblick auf aus einem Kindertraum, darin er sich zuhause befunden hatte bei Vater und Mutter: er hatte sich schlafend gestellt, und sie hatten ihn nicht wecken wollen, hatten ihn schonen und verwöhnen wollen, weil er das doch brauchte, viel Schlaf, eine empfindliche Natur, kurzsichtig, schwächlich – wie würde er einst seinen Mann stehen? Auf Zehenspitzen waren sie durchs Zimmer gegangen, und es hatte Spasso sehr gut gefallen.
    Nun fürchtete er sich. Die Petroleumlampe war ausgegangen. Ringsum war Nacht. Spasso fiel zurück in die Gegenwart. Hier saß er und wartete auf Kolja.
    Eine Weile starrte er ins Dunkel. Dann zündete er die Lampe wieder an. Aber seine Hand zitterte dabei. Er dachte: wenn er kommt … – Dann schämte er sich und nahm sich zusammen und dachte: ich bin ja gespannt, wie wird er sich verhalten?
    Die schwarzhaarige Lehrerin dachte auch: was wird er machen? aber sie

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