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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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dachte Spasso, ich stelle ihm ein Licht hin, und wenn er vorbeikommt, wird er es sehen!
    Niemand ist allein, dachte der Kapitän, er lehnte in seinem Fenster in der Villa und sah zu, wie die Nacht durch sein Paradies ging. Zu seinen Füßen auf einem Schemel saß die kleine schwarzhaarige Lehrerin. Er hatte diesmal einen Posten nach ihr geschickt in die Baracken am Bahnhof. Er hatte ihr zu trinken gegeben, er hatte gesagt: Du sollst nicht sprechen, du sollst nur hier sein!
    Sie hatte sich geduckt. Warum hatte er nach ihr geschickt, wenn er nichts von ihr wollte, nicht einmal Unterhaltung? Ihr Kopf lag an seinem Knie. Sie war müde. Sie wartete, bis er ihr erlaubte, wegzugehen.
    Hie und da kamen Leute vorüber. Die Eisenbahner gingen zum Nachtdienst durch das Dorf. Der Kapitän hörte ihre Schritte an den Vorgärten der Häuser, er hörte sie durch das Paradies gehen. Er machte sich ein Bild: Früher war hier der Dorfplatz mit seinen Pfützen gewesen, ein öder Ort, über dem eine Lampe schwankte; die Eisenbahner gehörten zu diesem früheren Leben. Aber nun hatte er alles gesäubert, hatte den Platz als Wohnstätte eingerichtet für gute Geister, mit Harzduft und grünem Nadelduft; nun waren es Rasenstücke, die festwuchsen und heimisch wurden, und die Leute sollten sich daran gewöhnen, auf dieses Bild zu blicken. Und hier drin saß er selber in seiner Machtwolke, aber es war eine grüne Wolke aus Wohlwollen, er duldete weder Plünderung noch Gewalttat, er gab Passierscheine aus, niemand brauchte sich zu fürchten, es war Friede!
    Du brauchst dich nicht zu fürchten, sagte der Kapitän zu der Lehrerin. Er roch den gewöhnlichen Duft von Haar, Kleid und Seife. Sie blickte zu ihm auf, ihre Augen waren traurig. Aber das wollte sie ihm nicht zeigen, das ging niemand etwas an, sie dachte an Spasso. Wer sie herholte wie der Kapitän, mußte sich an das andere halten, das er sich hatte holen können. – Ihr Gesicht war vom Trinken heiß und schlaff. Sie sagte:
    Na, ich fürchte mich nicht gerade, aber was ist mit dir los? Du bist so komisch heute abend, mir unheimlich!
    Ich werde etwas erzählen, sagte der Kapitän. Er sog an seiner Pfeife und sagte:
    Da draußen, das sind jetzt nicht mehr die Eisenbahner; das sind meine Posten, die jeden Menschen hereinlassen. Da kommt auch Fini mit dem Kinderwagen herein, sie kann den Jungen spazieren führen, und wenn du ein bißchen Einbildung zu Hilfe nimmst – für den Jungen ist es doch richtig ein Paradies. Jedes kann sich einen Platz suchen und sich hinsetzen, das ist dann so gut wie unterm Nußbaum. Spasso hat mir das alles vorgelegt in seinem Bericht, seither weiß ichs. Es kann also auch Kolja kommen, er läßt das Pferd am Tor stehen und kommt zu Fuß herein. Und auch der Mann aus der Mühle kann kommen, wir nehmen ihm den Hund ab am Tor, er kommt ohne den Hund. Du siehst, ich habe rechtzeitig eingegriffen und sie alle zur Vernunft gebracht. Mit Geduld bringen wir alles zuwege.
    Das Kleid raschelte, die kleine Schwarzhaarige sagte: Zu wem sprichst du denn da?
    Sie stand auf und ging mit steifer träger Bewegung vom Fenster zurück an den Tisch. Sie wollte sich etwas ins Glas einschenken, aber sie schüttete daneben. Da trank sie aus der Flasche. Dann setzte sie sich halb auf die Tischkante und sagte:
    Du sprichst ja nicht mit mir, das ist ja diese Dame, zu der du sprichst!
    Der Kapitän sagte: Sie ist fort.
    Die Lehrerin sah ihn an. Hast sie abgeschoben?
    Sie ist zu ihrem Mann.
    Wie – die hat einen Mann?
    Ja, er ist zurückgekommen – drüben.
    Aber, – sie hatte doch hier einen Mann. Der tot ist, – ihr Freund, das war doch so gut wie ihr Mann!
    Wer hat dir erzählt?
    Erzählt? Alle erzählen. Und Spasso hat uns verhört, der hat alles genau herausgebracht von dieser Dame. Der ist im Bilde. Nicht wie du, du bist nicht im Bilde. Du machst dir was vor.
    Sie schielte böse vor sich hin. In ihren Augen war nicht mehr Traurigkeit, es war, als sei Tinte in sie geflossen, sie sahen aus wie schwarze lackierte Scheibchen.
    Sieh einmal an, so eine hat dann immer auch noch einen Mann! Aber das kann ich dir sagen, Spasso hätte sie nicht so weggehen lassen, und er kriegt auch diesen Kolja! Ist ja eine Schande – da schießt einer einen anderen Menschen einfach über den Haufen, und sie geht weg, und der eine läuft noch immer herum, und du rührst keinen Finger, du machst hier deinen Park und erzählst mir von ihr! Ich möchte bloß wissen, was an ihr ist! Da hat sie einen Mann

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