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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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Tag – das wirst du bald erkennen – an dem du es vielleicht gutmachen kannst. Zuerst kommt Kolja, und du mußt ihn treffen, so wie du es ihm versprochen hast, am Waldrand, das mußt du überstehen. Und dann kommt die Straße, dafür hast du den Passierschein! Die Schraube drehte sich: Und dann kommt – „Drüben“! Aber hier blieb sie einstweilen stecken: Dein Mann …, dann hielt sie an, auf den äußeren Rändern des Gewindes blinkte noch das Licht, aber in den Rillen stand schon das stumpfe Grau, Ring an Ring, starres Metall. Susanna sah sich die stillstehende Schraube genau an, und gleich darauf vergaß sie sie. Ihr war nur die letzte Drehung im Gedächtnis: Drüben.
    Sie sah es vor sich: wo sich der Himmel im Westen senkte, dort war „Drüben“. Aber sie sah nicht den Dunst und den verschwimmenden Himmel, sie sah nur einen weißen Fleck, so wie sie selber als weißer Fleck ging, sie konnte sich nicht vorstellen, was sie drüben tun würde. Sie dachte: ach, der Kapitän, er hätte mich nicht so losschicken sollen! Aber ich wollte es ja, ich hatte ihn ja gebeten um den Schein. Hätte er mir den Schein nicht verweigern können? Ich habe zu ihm gesagt, Herr Jorhan; er hätte genau so wie ich „Jorhan“ sagen können, aber da hat er gesagt: Ihr Mann – und Sie können hinübergehen! Aber es stimmt doch gar nicht, Jorhan ist nicht mein Mann! Ich weiß nicht, was er sich darunter vorgestellt hat, ich kann doch nicht hinüber zu Jorhan, ich werde nie sagen können, du, mein Mann, bist zurückgekommen, ich werde nur sagen können, ja, ich bin froh, daß du heil zurückgekommen bist, du, Jorhan, bist wieder da. Ja, auf den äußeren Rändern, auf den Erhöhungen blinkt das Metall, aber, das sieht man doch ganz deutlich: in den Tiefen der Windung ist es grau, man weiß gar nicht genau, wie tief es geht, lauter schwarze, nach innen gezogene Ringe.
    Ich werde ihm auch nicht sagen können, daß ich ein Kind bekomme, da müßte ich ihm ja sagen, von wem, und daß mir Axel nicht glauben will. Da müßte ich ja nicht bloß die Geschichte mit Axel erzählen, sondern die ganze Geschichte mit Kolja und dem Kapitän; aber die Geschichte mit Kolja muß ich doch erst zu Ende bringen, ich muß es erst fertigbringen, daß Kolja mir glaubt, daß er die Wahrheit hinnimmt. Lieber Gott, laß es mich so machen, daß er mir glaubt!
    Ein Baum-Schemen, die Äste nicht angewachsen, sondern eingebohrt. Sie sah sich schon bei Jorhan in der Stadt und hörte sich sagen: Kann ich Herrn Jorhan sprechen? Sie würde dann nicht sagen: mein lieber Mann. Sie dachte: Das kann ich ihm nicht vorlügen, daß er mein Mann ist, und daß ich seine Frau bin! Axel hat mich zu seiner Frau gemacht, er ist mein Mann. Von Jorhan kann ich das nicht sagen, und wenn ich es jetzt sage, ist es wieder eine Lüge. Und weil ich gelogen habe, darum lebe ich ja nicht mehr.
    Und bei Kolja ist es dasselbe: ich werde ihm sagen müssen: ja, Kolja, ich habe Sie belogen, da waren zwei Leute versteckt, und ich habe auch gelogen, kommen Sie morgen wieder, ich habe Sie in Wirklichkeit nur los sein wollen. Aber das ist alles, hören Sie, mit dem anderen habe ich nichts zu tun. Nichts mit Herrn von Wilnows Hund, das war Zufall. Das müssen Sie mir glauben! Können Sie es mir, bitte, glauben? Wenn Sie es tun und zu mir sagen, ja, Kosanna, ich glaube es Ihnen, dann machen Sie mich wieder gesund und lebendig. Bitte, Kolja, versuch es! Sag mir: du hast mir den Glauben gegeben, Kosanna! – Mehr kannst du von mir nicht haben. Bezahlen kann nur, wer lebendig ist. Ich bin aber nicht mehr lebendig, weil ich voller Lüge bin. Und nun will ich mir das Leben wieder gewinnen, ich habe dir Wahrheit gegeben, Kolja, ich stehe da, und du kannst zu mir sagen, ja, Kosanna, ich glaube!
    Kolja war spät aufgestanden in der fremden Fliegenstube bei den feindseligen einheimischen Leuten, und dann hatte er sich zu seiner verschütteten ordentlichen Natur gezwungen, hatte sich gesagt, ich muß mich waschen, sauber machen, Kosannas wegen, heute werde ich sie sehen. Dabei hatten ihm die Hände gezittert und er hatte gedacht, soviele Tage saufe ich jetzt schon, Tage und Nächte, ich bin nicht mehr in Ordnung, ich schwitze. Daheim war ein Mann, von dem haben die Leute gesagt, er schwitzt, er ist von Alkohol ganz durchtränkt, und da schwitzt er es eben aus, und zittert. Und wenn er über die Straße geht, läuft er immer dorthin, wo etwas fährt, er ist schon unsicher und hat nur Glück, mit Raum und Zeit

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