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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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geht es hart aufeinander. Dann verlangt er wieder zu trinken, weil er wittert, daß er dadurch sicher werden kann. Und wenn er dann den ersten Schluck hinunter hat, fühlt er sich auch sicher. So war die Geschichte mit dem Mann, vielleicht wird es einmal Koljas Geschichte sein?
    Er dachte an den Mann bei der Mühle und an den Hund, daran erinnerte er sich genau. Aber an manches erinnerte er sich nicht mehr genau. So sicher war er doch nicht. Soviele Tage sind es schon, dachte er. Einmal hatte er eine Flasche zerbrochen in dem Fliegenquartier und hatte den Schnaps, der über den Fußboden gelaufen war, angezündet und gesagt, ehe es abbrennt, will ich eine andere Flasche sehen! Einer der scheelblickenden Hausleute hatte die andere Flasche gebracht, eine Flasche zu drei Vierteln voll mit einem trüben Wasser, und Kolja hatte gefragt, ist es trinkbar? Der Falschblöde hatte geantwortet, wir haben es im Winter getrunken, wir haben es im Herbst aus Rüben gebrannt. Kolja hatte gesagt, Rüben, das waren nicht einmal Rüben, ihr Hundsvolk, das ist euer Fusel, das waren Kartoffeln! Er hatte aber, obgleich der Mann es zugegeben hatte, dann getrunken. Damals hatte er zum erstenmal geschwitzt, wann war das gewesen, vor zwei Tagen, vor drei Tagen, Kolja wußte es nicht mehr genau, er hatte getrunken, geschwitzt, sich erbrochen, dann war er eingeschlafen. Seither hatte er immer sofort geschwitzt, kaum, daß er gerochen hatte an einer Flasche, nur in des Kapitäns Waldfeeparadies war es besser geworden. Der Kapitän trank wohl selber genug, dem fiel es nicht sofort auf, wenn ein anderer durchlöchert war vom Saufen. Dann bei den künstlich eingesteckten Bäumchen neben Kosanna war es wirklich besser geworden. Und wäre der Mann mit dem Hund nicht gewesen – Kolja dachte, der Hund, den ich doch erschossen habe –, dann hätte es auch nicht wieder angefangen. Aber so, ich mußte doch immer nachdenken darüber. Denken geht nur beim Trinken. Die Augen fallen einem halb zu, die Zigarette rollt aus der Hand, das ist ein Signal: ich kann einen Augenblick wieder scharf zielen. Ach, könnte ich doch aufhören, zu denken, jetzt weiß ich nicht einmal, wohin ich reite. Gut, daß es wenigstens mein Schimmel weiß, er ist es schon gewöhnt, er kennt meine Route. Und der Kapitän kann es mir nicht übelnehmen, daß ich Kosanna treffe, er hat es mir nicht verboten. Das Dorf hat er mir verboten, darum treffe ich sie hier und nicht im Dorf. Sie wird mir vergeben. Ich werde zu ihr sagen müssen: ach, Liebste, es ist von uns beiden nicht mehr viel übriggeblieben! Das habe ich an dir gesehen, und du hast es an mir gesehen, und ich habe schon nicht mehr geglaubt, daß du noch lebendig kommen kannst, aber da hast du gesagt: ich will kommen, – und nun glaube ich dir!
    Susanna hatte auf Mittag angetragen und war zuletzt unter dem dämmernden Laub so schnell wie sie konnte gegangen. So traf sie pünktlich ein auf dem vorbestimmten Platz, sie hatte ihn nicht verfehlt. Sie stand zwischen Tümpel und Hochstand, sah das Wollgras und Schilfgras und blickte voraus in die feuchte Wiese, sie sah das Brett, das dort über dem Wassergraben lag, und sie sagte: hier. Sie hätte sich nun gern hingesetzt, sie suchte nach einem trockenen Fleck, an dem sie ihr Kleid nicht beschmutzte; das Kleid „Hoffnung auf Wahrheit“ wollte sie sauber halten. Da sah sie, wie Axel am Waldrand hervortrat.
    Was will er denn da, dachte sie, um Gotteswillen, wenn er jetzt nicht sofort verschwindet – und einen Augenblick spürte sie nur Verachtung für den Mann, der ihr nicht glauben wollte.
    Axel erblickte das weiße Kleid, und er ging zwischen den grauen Flämmchen des Wollgrases die paar Schritte zu ihr vor. Sie sieht mich so beschwörend an, aber das kenn ich von ihr! Da sah er, daß ihre Augen an ihm vorbeigingen und an einem anderen Punkt festhingen. Und dann lief sie weg.
    Er dachte: läuft sie vor mir davon? Er drehte sich um, da sah auch er das Pferd und den Reiter, und erkannte Koljas Schimmel.
    Kolja hatte eben noch das weiße Kleid gesehen und sich einen Augenblick lang gefragt, ist sie es oder ist sie es nicht. Aber an der Art, wie sie lief, hatte er sie sofort erkannt, da galten Figur und Bewegung und nicht das Kleid. Kosanna! schrie er, aber das Kleid verflackerte und verlosch zwischen den Stämmen. Es war nicht mehr das Kleid für „Hoffnung auf Wahrheit“. Susanna selbst dachte das, als sie lief und lief und wieder unters Laubdach kam, und als dieser Strom von

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