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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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ihre Richtung ein. Er knüpfte das eine Ende des Netzes zusammen, das andere Ende hielten drüben an der Straße die Leute von Spassos Streife ausgespannt, sie verstärkten die Posten an der Straße, und zu der bestimmten Uhrzeit, ab 10 Uhr 15, sollten sie zusammen nach innen vorrücken.
    Überall war es still, es war wie ein Urlaubsvormittag in Gottes schöner Natur, das Laub glänzte, der Himmel schimmerte seidig, die Beeren dufteten. Das Krad rollte talwärts in die von Wasser durchstäubte Schlucht. Sie kamen an der Mühle vorüber, und der Kapitän dachte daran, wie er den Mann hier hatte beobachten lassen. Er sah vor dem Haus an der Kette den Hund liegen, allein. Ihn hatte er im Paradies friedlich lagern sehen, und die Züge seines toten Herrn hatte er getragen, – dort hatte er mit Koljas Schimmel gespielt! Hier sprang er auf und bellte, und der Müller steckte den Kopf durchs Fenster. Gleich zog er ihn wieder ein. Der Kapitän dachte wieder: niemand hätte sich fürchten sollen, – nun fürchten sich doch alle wieder.
    Er konnte sich nicht aufhalten. Er sah auf die Uhr – 10 Uhr 25.
    Zur selben Zeit gingen drüben an der Straße die Leute von Spassos Streife nach innen. Sie tauchten im Dickicht unter und arbeiteten sich langsam voran. Als sie zu den geraden Schneisen kamen, mit denen der Hochwald anfing, sammelten sie sich, und da hörten sie aus großer Entfernung zwei Schüsse. Ist es schon geschehen? Aber nein, später stellte sich heraus, einer der Berittenen war von seinem Trupp abgekommen, und einer der Schützen zu Fuß hatte ihn für Kolja gehalten und zweimal sein Gewehr abgedrückt, zum Glück hatte er nicht getroffen. Aber hatte er Kolja nun nicht alarmiert?
    Der Kapitän befand sich, als er die Schüsse hörte, ebenfalls am Eingang des Forstes, den hier, an der anderen Seite, der Absturz zur Schlucht begrenzte. Er war, um das Krad zu entlasten, abgestiegen. Er kletterte über einen Wall bemooster Felsen und schloß sich einer Gruppe an, die dieses unwegsame Stück eben durchstreifte. Da stießen sie zwischen den Felsen auf den Kadaver eines Hundes, Fliegen schwirrten auf, verkrustetes Blut klebte in dem verfilzten Fell. Der Kapitän wunderte sich. Was entdeckt man nicht alles an Orten, die sonst niemand betritt, – dieser Hund sah genau so aus wie der Hund an der Mühle, man hätte meinen können, es sei derselbe, derselbe auch, der im Paradies gewesen war.
    Die Leute wußten davon nichts. Sie sagten: Erschossen! – Da eben hörten sie von ferne die zwei Schüsse. Der Kapitän fuhr auf: ist es schon geschehen? Er verwünschte es, daß er sich hier ins Dickicht verstrickt hatte, er dachte: ich müßte überall sein!
    Aber es ging alles nur langsam weiter. Die Schüsse waren längst verhallt, der Steinwall mit dem Kadaver des Hundes lag hinter ihnen, Rehe schreckten auf und flüchteten in hohen Sätzen. Der Kapitän stieg nicht mehr auf das Krad, er schickte die eine Gruppe los und wechselte zu einer anderen hinüber, ging zu Fuß, und winkte in eine neue Richtung ein.
    Die Leute schwärmten aus. Dasselbe taten drüben auf ihrer Seite die Leute von Spassos Streife; und droben hinter dem Bemelmanhof standen gedeckt von einer Scheune die Berittenen, ihnen sollte, wenn sich Kolja irgendwo zeigte, das freie Gelände gehören. Zu ihnen stieß dann auch der Kapitän. Er war abgemattet vom Laufen, aber nun klärte sich wenigstens der Zwischenfall auf: zwei Schüsse, ja, sie waren abgegeben worden, aber von Kolja hatte niemand etwas gesehen.
    Der Kapitän setzte sich auf einen Feldstein und sah auf die Uhr. Die Zeit rückte vor, das Netz zog sich enger zusammen. Bald mußten die Leute, die unten den Forst durchkämmten, am Waldrand erscheinen. Und wenn dann nicht auch Kolja hervorkam, so war er nicht drin gewesen. Aber vielleicht hatte er sich gar nicht im Walde aufgehalten, vielleicht lag er in einem Haus? Der Kapitän sah die Wiesen, den frischgepflügten Acker, die Obstbäume und das braune Strohdach. Er fragte: Was ist das für ein Haus? Die Leute wußten es nicht. Aber da sah der Kapitän die Gestalt, die eben klein und gebückt auf das halbgeöffnete Tor zuging, sie kam den Weg vom Dorf her, und als er das Glas vor die Augen nahm, erkannte er den Bemelman.
    Koljas Schimmel betrat die weiche Walderde; mit kleinen Schritten, prüfend, klug, setzte er über Wurzeln und Steinknollen, klopfte auf glatten Nadelboden, raschelte in Schichten moderiger Blätter; über seinem Halse in der Luft schwebte

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