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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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blutigem Kragen und verrutschter Brille, er richtete sich die Brille, da glänzten seine Augen freudig hinter dem vergrößernden Glas, und hinter ihm stand die Lehrerin mit den dünnen Kinderarmen und nacktem Hals und verschmiertem Mund, und sie schielte. Der Kapitän dachte: ach, Spasso, er hat mir ja von Anfang darin widerstanden, daß hier ein Paradies werden soll, er hat zwar mitgemacht, aber immer still für sich behauptet, es könne keines geben. Und nun hat er es mir bewiesen, und er braucht gar nichts zu sagen, man sieht es ja an dem roten Blutfleck auf seinem Kragen, das genügt.
    Er dachte: komisch, es stimmt etwas nicht mit den Augen, die Schwarze schielt, und wir tragen Brillen, – er selber nämlich hatte sich seine Lesebrille aufgesetzt, um die Decknamen aus der Telephonkladde herauszusuchen. Er dachte. wir sind also eine Gesellschaft mit Fehlern in den Augen jetzt, das Gesicht ist verstellt, wo wir hier das Paradies liquidieren, wir haben uns Masken aufgesetzt dazu, Schielen oder Brille.
    Er dachte an Susanna, er dachte nur an sie allezeit, wenn er auch anderes zu denken vorgab.
    Das Telephon klingelte, der Kapitän sprach etwas, und Spasso hörte seinen eigenen Namen, er nickte. Er stand stumm hinter dem Kapitän, es schien, als warte er nur darauf, bis alles anfinge; nun entfernte er sich leise. Die Lehrerin setzte sich auf das Sternensofa und knöpfte sich die hochhackigen Schuhe auf und deutete dem Bemelman mit dem Daumen nach der Tür.
    Bemelman begriff, er war hier überflüssig. Er ging. Unten am Gatter blieb er im Sonnenschein stehen. Er sah, daß nun alles wie von selber geschah.
    Ein paar Posten liefen herum. Dann kamen von links und rechts die Soldaten aus ihren Quartieren im Dorf, alle sahen gleich aus in ihren schmutzigen Uniformen, jeder hatte sein Gewehr, jeder hatte es eilig, mancher machte sich im Herzutreten erst fertig, knöpfte sich die Bluse zu und hakte sich die Gurten ins Koppel. Keiner sah auf das Paradies, sie füllten es bald ganz aus, und als sie sich in ausgerichteten Gliedern versammelten, traten sie sogar auf den Rasen, und hie und da, wo ihnen ein Bäumchen im Weg stand, knickten sie es ein.
    Der Kapitän kam aus dem Haus und ließ sich Meldung machen, die Kommandos erschollen auf dem Platz. Bemelman hörte die scharfen Worte. Sie erfüllten die Luft, sie drangen auch zur Villa hinauf. Dort stand die Lehrerin im offenen Fenster. Sie beugte sich vor und sah zu, wie das Paradies abgeräumt wurde. Dann ging sie zurück und legte sich aufs Sofa. Nun hatte sie endlich Ruhe, sie kreuzte die Arme unter dem Kopf und dachte an Spasso. Jetzt fühlte sie sich seiner wert.
    Als sie aus dem Haus ging, waren die Soldaten schon abgerückt, auch Bemelman war fort, der Platz, vormals das Paradies, war leer. Der Rasen abgetreten, und von den künstlichen Bäumchen rieselten die Nadeln, und manche Zweige waren schon verdorrt.
    Die Lehrerin ging quer über den Platz, ihre hohen Hacken schlugen hart auf den Kies. Ein paar Weiber aus dem Dorf sahen zu ihr herüber, sie setzte ein hochmütiges Gesicht auf. Und als sie die Stimmen hörte: Eine aus dem Lager! blieb sie stehen und ging dann noch eine Weile hin und her auf dem Platz, um zu zeigen, daß sie sich nicht zu verstecken brauchte. Und zuletzt ging sie mitten unter dem hölzernen Tor hindurch: innen und außen war die gleiche Luft.
    Für ein paar Leute von der Kompanie war es eine Geländeübung. Sie zogen mürrisch dahin, lieber wäre uns Ruhe gewesen!
    Andere redeten von Spasso. Da sieht mans wieder, und hat er eine Braut zuhaus – die denkt jetzt noch immer, er hats überstanden, bald wird er heimkommen!
    Die Leute von Spassos Streife, die schon am Tag zuvor unterwegs gewesen waren, sagten: Wir haben es ja gleich geahnt, daß wir noch einmal drankommen. Der Alte wollte nur nicht. Und wenn Spasso nicht tot läge jetzt dort oben, so wollte er wohl immer noch nicht!
    Die Reden und Gedanken begleiteten wie Atem oder Hautjucken das Ereignis. Abwehr einer Lästigkeit. Lieber wäre uns Ruhe gewesen! Eine Fliege kriecht am Lauf des Gewehrs entlang, sie merkt nicht, daß sie mitgetragen wird von einer für sie unkenntlichen Bewegung; soviel waren die Gedanken wert.
    Warum wollte der Alte denn nicht?
    Mann, der hat sich ja überhaupt um nichts gekümmert!
    Und wer ist dann schuld an dem Ganzen, – er?
    Die Fliege setzte sich dem Mann auf die Stirn, er tappte hin, wurde sich aber nicht bewußt, daß es eine Fliege war. Von vorne stieß eine

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