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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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Faust in die Luft:
    Beeilung, wir müssen um Uhrzeit zehn fünfzehn bei der Wache an der Straße sein!
    Die Einheimischen sahen zu. Soldaten zogen in kleinen aufgelösten Trupps die Feldraine entlang, schwenkten dann in eine neue Richtung ein, warteten eine bestimmte Zeit ab, schwärmten in einer Linie aus, sammelten sich an anderem Punkte wieder. Was die Soldaten so machten: ob es etwas Bestimmtes war, Folge von Planung und Befehl – oder etwas Unbestimmtes, das überhaupt niemand durchschauen und erklären konnte – das hatte man nie gewußt, und auch heute wußte es zunächst keiner. Es flutete über die Felder, tauchte in den Wald ein. Ein Motorrad knatterte, der Kapitän saß hinten drauf, ein kleiner Trupp sprengte zu Pferd quer durch die Sandgrube und ließ graue Wirbel aus Staub zurück, überall flimmerte es von Bewegung. Plötzlich hatte der Wald sie verschluckt, nur ein paar Nachzügler trieben in ihrem Sog. Da machten sich auch die Einheimischen ihre Gedanken, nun etwas Bestimmtes: sie fangen den unheimlichen Kolja, den Totschläger Kolja, Wolf in unseren Fluren, – sie haben ihn nicht zähmen können. Ob sie ihn auch kriegen? Aber die sind zu vielen, sie machen es ganz langsam, sie ziehen ein Netz durch die Gegend, und zuletzt werden sie ihn drin haben!
    Für sie war es dieser Vorgang: Gerechtigkeit, als wäre es schon abgeschlossen, die Zeit erstarrt, verkrustet zu Erzählung: jetzt wird ihm das Netz gespannt!
    Ein wenig mehr wußte Bemelman.
    Er ging nachhause, niemand hielt ihn auf unterwegs. Für ihn war das Netz nicht gespannt. Aber er, der von Anfang an so viel gesehen hatte, ahnte, daß die Soldaten mit dem Kapitän jetzt nicht einfach einem Unwesen ein Ende machten und ihrem eigenen Willen gehorchten, sondern daß sie in Wahrheit Koljas Befehle ausführten, er selbst hatte sich dieses Netz ausgespannt und bewegte sich unsichtbar in ihnen allen. – Der unheimliche Kolja, dachte Bemelman, ihn hat es erwischt, aber was hat ihn erwischt, er hat es sich gesungen:
    ein Stern ist niedergekommen und hat gesagt:
    glaube mir, ich komme wieder, umarme mich!
    Aber dann ist der Stern weg gewesen,
    und es ist nur noch die leere Stelle da;
    und davon hat ihn nichts heilen können. Trinken und Herumreiten hält nicht vor, nur der Tod hält vor. Ja, nun hat er die Maschine in Gang gebracht, er selbst schickt sich hinüber.
    Bemelman fürchtete sich vor seinen Gedanken, er blickte in den Himmel. Der war leer und hoch, und funkelte ohne ein Zeichen, daß hier etwas geschah. Der Himmel war heute blau voll Spätsommerlicht und stellte sich nicht anders dar als an den anderen Tagen, und nun war es dieser Tag: im Dorf trugen sie Herrn von Wilnow zu Grabe.
    Der kleine Leichenzug bewegte sich quer durch das abgeräumte Paradies des Kapitäns. Fini ging hinter dem Sarg, sie dachte an Susanna, daß es mit ihr nun nie mehr gut werden würde. Aber das kann doch nicht sein, daß vom Guten das Schlimme kommt, sie konnte doch nicht anders, und hätte es sich vermeiden lassen? Nein, eher ist es so, wie sie es mir früher einmal gesagt hat in ihren komischen Reden:
    die Dinge geschehen von selber,
    und wir bringen uns nur langsam alle hinüber,
    vielleicht müssen wir so hinüber,
    es ist in den Dingen schon drin,
    daß wir uns hinüberbringen.
    Fini zitterte, ganz kannte sie sich nicht aus. Sie fragte: wieso, hat es dann so kommen müssen?
    Der Kapitän hatte gesagt: Weiher! Einige Leute hatten sich erinnert: es ist doch nur ein mooriges Sumpfloch, Wasser mit Entengrütze, Wollgras und Schilfbüscheln, aber sie hatten verstanden: als Punkt fixiert verlangte der Ort ein solches ansehnlicheres Wort, und der „Weiher“ lag günstig, die Wege kamen hier zusammen, und wer aus dem Wald heraustrat, konnte in dem weiten Bogen der Wiesenmulde gesehen werden. Mit einer winzigen Hoffnung hatte der Kapitän auch gedacht: wenn wir ihn nur erst herausbringen aus dem Wald – auf dem freien Gelände wird er uns alle heranrücken sehen und wird es vielleicht aufgeben; er kann dann selber ein Ende machen.
    Der Kapitän hatte niemand bei sich als den Kraftfahrer. Hinter dem breiten Rücken schaukelte er dahin. Als sie an Finis Haus vorüberkamen, dachte er an den Abend, an dem er hier zu Susanna gesagt hatte: Niemand soll sich fürchten. Er dachte: ich habe es nicht geschafft, es ist ganz anders gekommen; und dann dachte er wieder: vielleicht wird er aufgeben!
    Ein Stück hinter dem Finihause stieß er auf einen Trupp Leute, er wies sie in

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