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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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Junge wie du überhaupt seine Fäuste gebrauchen? Er lächelte unwillkürlich.
    Er versuchte, sich vorzustellen, dass sie ihn besuchen käme: wie sie sich die Treppe nach oben quälte und ihn fragte, warum er nicht was im Erdgeschoss gesucht hätte. Sie würde für ihn kochen, und sie würden zusammen Gin trinken und über die Streitereien lachen, die sie gehabt hatten.
    Aber sie war tot, und nun würde er nie erfahren, wie es wäre, neben ihr als Erwachsener zu leben. Sie hatte ihn als Kind bei sich aufgenommen, und er hatte sie als Kind wütend und verbittert verlassen – älter, aber noch immer ein Kind. Er hatte die Gelegenheit verpasst, mit ihr Gin zu trinken und sich ihre Geschichte anzuhören – sie von Gleich zu Gleich zu hören und nicht von jemandem, der ihn gerettet hatte. Dies bedauerte er inzwischen mehr als alles, das Gefühl, dass er es versäumt hatte, sie richtig kennenzulernen.
    Daniel stand auf, ging in die Küche und machte sich auf die Suche nach Gin. Er bewahrte seine alkoholischen Getränke in einem Karton in einem Schrank auf. Es gab alle möglichen Sorten, die von Partys übrig geblieben waren: Madeira, Advocaat, Malibu, und Daniel rührte sie kaum an. Er hob den Karton herunter und suchte, bis er eine halb volle Flasche Bombay Sapphire fand. Das war etwas Besseres, als sie sich selbst gegönnt hätte, doch Daniel gab sich Mühe, ihn so zuzubereiten, wie sie ihn gemocht hatte: ein hohes Glas, zuerst Eis rein und dann die Zitrone – wenn sie eine hatte – darüber ausgedrückt. Er war sich sicher, dass sie zuerst das Eis hineingab, um sich so vorzumachen, dass das Quantum Gin nicht so groß war, wie es schien. Tonic zischte über das Eis, den Gin und die Zitrone, und Daniel rührte es mit einem Gabelstiel um. Er nippte in der Küche daran und erinnerte sich an ihre rosafarbene Hand, mit der sie das Glas umfasst hielt, und an ihre funkelnden Augen.
    Im Fernsehen lief Fußball, aber er schaltete den Ton aus, griff zu ihrem Adressenbüchlein und blätterte wieder zu der Seite mit Jane Flynns Nummer und Adresse in Hounslow. Er sah auf seine Uhr. Es war kurz nach neun – nicht zu spät für einen Anruf.
    Daniel wählte die Nummer, die Minnie sorgfältig mit einem blauen Kugelschreiber notiert hatte. Er wusste nicht mehr, ob Minnie in Kontakt mit Jane gestanden hatte, aber vielleicht war diese Nummer aufgeschrieben worden, als Norman noch lebte.
    Daniel hörte auf das Klingeln, während er an seinem Drink nippte. Allein schon der Geruch des Drinks erinnerte ihn an Minnie.
    »Hallo?« Die Stimme klang echoartig, einsam, als spreche sie in einer dunklen Halle.
    »Hallo, ich hätte gern … Jane Flynn gesprochen.«
    »Am Apparat. Wer ist dort?«
    »Mein Name ist Daniel Hunter. Ich war … Minnie Flynn war meine … Wenn ich mich nicht täusche, war sie die Frau Ihres Bruders?«
    »Sie kennen Minnie?«
    »Ja, störe ich Sie im Moment auch nicht?«
    »Nein, aber … wie kann ich Ihnen helfen? Wie geht es Minnie? Ich denke oft an sie.«
    »Na ja, sie … ist dieses Jahr gestorben.«
    »Oh, das tut mir leid. Das ist schrecklich. Was sagten Sie, wie Sie sie gekannt haben …?«
    »Ich bin ihr … Sohn. Sie hat mich adoptiert.« Die Worte raubten ihm schier den Atem, und er lehnte sich auf dem Sofa nach hinten und schnappte nach Luft.
    »Wie schrecklich«, sagte sie wieder. »Gott … vielen Dank, dass Sie mir das mitgeteilt haben. Was sagten Sie, wie Ihr Name ist?«
    »Danny …«
    »Danny«, wiederholte Jane. Im Hintergrund, über den Ton des Fernsehers hinweg, hörte Daniel Kinder vor Lachen kreischen und fragte sich, ob es ihre Enkel wären.
    »Haben Sie sie gut gekannt?«, fragte er.
    »Tja, wir gingen in London immer alle zusammen aus, als wir jung waren. Sie und Norman haben sich hier unten kennengelernt. Wir gingen tanzen, Fisch und Chips essen. Aber nachdem sie und Norman wieder nach Cumbria gezogen waren – nicht mehr so oft.«
    »Sie und Norman kamen ursprünglich von da oben?«
    »Ja, aber ich bin selten wieder dorthin gefahren. Norman hat es vermisst, das Landleben vermisst, aber ich habe immer in der Stadt gelebt. Wann ist die Beerdigung?«
    »Sie war vor ein paar Monaten. Ich komme zu spät mit meinem Rundruf …« Daniel errötete leicht: Er maßte sich den Mantel des pflichtbewussten Sohnes an. »Sie hat mir ihr Adressenbüchlein hinterlassen, und ich habe Ihre Nummer darin gefunden. Ich dachte, ich ruf mal an für den Fall, dass Sie noch dort wohnen… falls Sie es wissen

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