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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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Sätzen an ihrer Oberlippe, »aber dies jetzt ist eine wichtige Zeit. Du stehst auf der Schwelle zwischen dem einen Leben und einem anderen. Es ist deine Entscheidung, was du tun willst, aber ich möchte, dass du studierst. Ich möchte, dass du Chancen hast. Ich möchte, dass du dir ansiehst, was im Angebot ist.«
    Sie half ihm bei Biologie und Chemie und sagte zu ihm, er solle mehr essen, denn das nähre das Gehirn.
    »Schmeckt gut, Minnie«, sagte Carol-Ann und quetschte einen Klecks Ketchup auf ihren Tellerrand. Blitz sah ihnen gespannt zu, während ihm ein dünner Speichelfaden vom Unterkiefer auf den Boden rann.
    »Dann iss auf, Schatz.« Sie reichte Blitz eine Fritte, und er schnappte sie ihr hungrig aus den Fingern.
    Daniel aß, einen Ellbogen auf den Tisch gestemmt und die Finger seiner rechten Hand in den Haaren.
    »Also im Grunde willst du mir sagen, dass es keine Probleme gab. Es gab nichts, was du nicht konntest, und du hattest Zeit, alles noch mal zu kontrollieren, ehe du rausgegangen bist?«
    »Ja, das wäre schön«, sagte er mit vollem Mund, den Blick auf die frischen Fischschuppen an seiner Gabel gerichtet.
    »Was heißt das, Schatz?«, sagte sie und schob ihm mit der linken Hand die Haare aus den Augen.
    Er setzte sich auf und entzog sich ihr sacht. Er mochte es nicht, dass sie ihn so berührte, wenn seine Freunde dabei waren. Wenn sie allein waren, ließ er es zu.
    »Ich sagte, es wäre schön«, sagte er, nicht laut, aber diesmal hielt er ihrem Blick stand.
    »Guck mich nicht so an mit deinen braunen Kulleraugen.« Sie hob den Blick zu Carol-Ann. »Ich hab doch bloß gefragt, hab ich.« Sie lächelte ihn herausfordernd an und gab dem Hund noch eine Fritte.
    Später, als Carol-Ann nach Hause gegangen war, holte er seine Bücher wieder hervor und setzte sich an den großen Eichenschreibtisch, den sie ihm gekauft hatte. Zum Abendbrot brachte sie ihm heiße Schokolade und selbst gebackene, dick mit Butter bestrichene Sirupbrötchen.
    »Arbeite nicht mehr allzu lange, Schatz«, sagte sie und massierte ihm die Stelle zwischen den Schulterblättern. »Du willst dich doch nicht überanstrengen.«
    »Mir geht’s gut.«
    »Ich weiß, dass es dir heute gut ergangen ist.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es einfach. Mein irischer sechster Sinn. Dies wird für dich der Anfang von etwas Großem werden. Du hattest ziemliches Pech, als du klein warst, aber jetzt bist du auf dem richtigen Weg.« Sie machte eine Faust und hielt sie sich lächelnd vors Gesicht. »Ich sehe dich eines Tages in einem eleganten Anzug. Vielleicht bist du in London oder vielleicht in Paris oder so und machst das große Geld. Und ich komme dich besuchen … Wirst du mich zum Essen ausführen?«
    »Klar, höchstwahrscheinlich. Ein Lunch mit allen Schikanen und allem, worauf du Lust hast.«
    Minnie warf den Kopf zurück und lachte. Er liebte ihr Lachen. Es sprudelte aus dem Bauch nach oben. Sie legte eine Hand auf den Schreibtisch, um sich zu stützen.
    »Du bist ein komischer Vogel, das bist du, aber ich werde dafür sorgen, dass du’s auch bleibst.«
    Wieder wischte sie ihm die Haare aus dem Gesicht und drückte ihm einen nassen Kuss auf die Stirn. Er lächelte und entzog sich ihr wieder.
    »Dein Bad ist in zehn Minuten bereit. Sieh zu, dass du bis dahin fertig bist, sonst wird’s kalt.«
    Daniel horchte, wie sie sich nach unten mühte und die Bodendielen und das Geländer unter ihrem Gewicht protestierten. Blitz bellte einmal, als sie sich dem Fuß der Treppe näherte, verärgert, dass sie es wagen konnte, ihn so lange allein zu lassen. Er hörte die Wohnzimmertür ächzend zufallen und den gedämpften Ton des Fernsehers durch die Dielenbretter nach oben dringen. Draußen war es noch hell, und Frühsommervögel hüpften von Baum zu Baum. Zu einem Teil mochte er diesen Ort immer noch nicht: wünschte sich die Großstadt mit all ihrem Misstrauen und ihren anspruchslosen Freiheiten. Aber gleichzeitig fühlte er sich bei ihr zu Hause.
    Es war jetzt mehr als drei Jahre her, dass sie ihn adoptiert hatte, und ja, es ging ihm anders. Er fühlte sich umsorgt. Dies war es, was für ihn vielleicht das Merkwürdigste war. Als er aufgehört hatte, gegen sie anzukämpfen, hatte sie ihn mit Fürsorge und Aufmerksamkeit überschüttet. Selbst wenn sie ihn in Verlegenheit brachte, wenn sie ihn vor Carol-Ann küsste oder vor den anderen Standbesitzern auf dem Markt lobte, fühlte er sich von ihr beflügelt. Sie sagte ihm, dass sie ihn liebe, und

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