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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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wollten.«
    »Ich danke Ihnen. Solche traurigen Neuigkeiten, aber … Gott segne sie, sie hatte kein einfaches Leben, nicht?«
    »Wissen Sie, was mit ihnen passiert ist – mit Delia und Norman?« Daniel fühlte immer noch seine Wangen brennen.
    »Ich brauchte Jahre, um drüber wegzukommen. Zum Teil war ich ständig wütend auf Minnie … Das muss für Sie schrecklich klingen, tut mir leid, aber heute ist mir natürlich klar, dass das falsch von mir war. So fühlt man sich eben, wenn so etwas passiert. Man möchte jemandem die Schuld geben, aber möglichst nicht dem eigenen Bruder. Ich denke, das war der Grund, warum wir nicht in Verbindung geblieben sind. Ich weiß, Sie müssen denken, ich bin furchtbar …«
    »Ich verstehe Sie«, sagte Daniel leise. »Was ist Norman widerfahren?«
    »Na ja, als Delia tot war, ging Norman mit einem Gewehr in den Garten und … steckte sich den Lauf in den Mund. Minnie war nicht zu Hause. Die Nachbarn fanden ihn. Es hat alles in den Zeitungen gestanden. Ich verstehe, dass er … Er liebte die Kleine, aber es war nicht seine Schuld … Ihre Ehe ging in die Brüche, verstehen Sie. Ich denke, sie machten eine wirklich schlimme Zeit durch. Er gab Minnie die Schuld daran, verstehen Sie …«
    »Ich denke, Minnie gab sich selber die Schuld.«
    »Sie war schließlich gefahren … Er schaffte es noch ins Krankenhaus, um sie ein letztes Mal zu sehen: Er war bei der Kleinen, als sie starb, aber er … er hat sich nie davon erholt. Nur ein paar Monate nach ihrem Tod hat er sich umgebracht. – Ich hoffe, Sie müssen nie so etwas durchmachen, Danny. Ich war zur Beerdigung meiner Nichte oben in Cumbria und dann drei Monate danach wieder zu der meines Bruders. Ist es ein Wunder, dass es mich heute nicht mehr dorthin zieht?«
    »Wie hat sich Minnie gehalten, bei Delias Beerdigung, meine ich?«
    »Gut. Sie lud uns alle ins Haus ein und hatte ein Festessen vorbereitet. Sie vergoss keine Träne. Wir waren alle fix und fertig, aber die beiden trugen es gemeinsam. Aber an eines erinnere ich mich …«
    »Was war das?«
    »Wir waren alle völlig erledigt. Der Priester hatte seinen Vers gesagt. Die Totengräber schaufelten schon das Loch zu, aber da riss Minnie sich von Norman los, lief zurück und warf sich neben dem Grab in den Dreck. Sie trug ein hellgrau geblümtes Kleid. Sie warf sich neben Delias Grab auf die Knie und streckte die Hände über den Rand in das Loch. Wir mussten sie zurückreißen. Norman musste sie zurückreißen. Sie wäre zu ihr in das Grab gesprungen. Das war wirklich das einzige Zeichen, dass sie … dass sie … Als wir zurück im Haus waren, setzte sie uns Biskuitkuchen vor. Nicht gekauft, sondern selbst gemacht. Sie muss ihn in der Nacht davor gebacken haben. Und ich weiß noch, dass sie ihn mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht und in ihren Augen herumreichte … aber mit diesen zwei braunen Matschkringeln auf ihrem Kleid.«
    Daniel wusste nicht, was er sagen sollte. Sie schwiegen, während er sich die Szene vorstellte, die Jane beschrieben hatte.
    »Bei Normans Tod versuchte sie nicht, sich in sein Grab zu werfen. Sie hatte sich nicht mal umgezogen, soweit ich sehen konnte. Sie trug ihr Hauskleid und hatte nicht mal Strümpfe angezogen. Auch Kuchen gab es bei Normans Beerdigung nicht. Minnie wartete nur, bis alles vorbei war, dann ging sie weg. Damals dachte ich nicht freundlich über sie, aber inzwischen mache ich ihr keine Vorwürfe mehr. Sie war an ihre Grenze gestoßen. Wir alle haben unsere Grenzen, nicht wahr. Sie war sehr wütend auf ihn. Gott, ich auch, nachdem ich den Schock überwunden hatte.«
    Wieder Schweigen.
    »Es tut mir sehr leid«, sagte Daniel.
    »Ich weiß – es war eine schreckliche Sache. Minnie und ich hielten keinen Kontakt, weil ich ihr die Schuld an Normans Tod gab, aber die Wahrheit ist … und ich sage Ihnen, erst vor Kurzem habe ich es geschafft, es mir selber einzugestehen … es war seine Wahl, nicht ihre, und es war eine feige Wahl. Schließlich müssen wir alle sterben. Nichts ist gewisser. Aber er konnte es einfach nicht ertragen. Ich kannte Minnie, sie würde diese … Feigheit … gehasst haben, vor allem, weil sie es durchgestanden hat, und der Verlust, den sie erlitten hat, muss noch schwerer zu ertragen gewesen sein.«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Na, weil sie am Steuer gesessen hatte. Sie muss gedacht haben, was wäre, wenn die Kleine angeschnallt auf dem Vordersitz gesessen hätte … was, wenn sie das Steuer in eine etwas andere

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