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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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so glücklich gehört.«
    Daniel räusperte sich. Harriet begann zu husten: ein so schlimmer rasselnder Husten, dass sie das Telefon für einen Moment weglegen musste. Daniel wartete.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ich werde diesen Husten nicht los. Heilige Muttergottes … Aber du musst wissen, Danny … Sie wünschte sich nichts mehr, als dass du ihr Sohn bist. Du warst so wichtig für sie.«
    »Danke«, sagte er fast flüsternd.
    »Denk jetzt nicht an diese Dinge, mein Sohn. Das tut niemandem gut. Lass es hinter dir.«
    Harriet begann wieder zu husten.
    »Du solltest zum Arzt gehen«, sagte er.
    »Geht mir bald wieder prächtig. Geht’s dir denn gut? Ich meinte, ich hätte dich neulich in den Nachrichten gesehen. Bist du jetzt an diesem Engelmörder-Fall dran? Warst das wirklich du? Was für eine schreckliche Sache das ist.«
    »Da hast du nicht unrecht«, sagte Daniel. Er stellte sich gerade hin; die Erwähnung des Falles entriss ihn den verdrießlichen Klauen seiner Erinnerung.
    »Wohin ist die Welt nur geraten? Hat man jemals dergleichen gehört – Kinder, die sich ohne Weiteres gegenseitig umbringen?«
    Daniel schob eine Hand in seine Hosentasche und sagte, er müsse jetzt aufhören.
    »Recht hast du, Liebling. Du hast immer so hart gearbeitet. Geh und leg jetzt deine Füße hoch. Denk nicht mehr über all das nach.«
    Daniel legte auf. Er ging zu Bett, und Reue übertönte alles in seinem Innern.
    Als er aufwachte, war es halb sieben und zu spät für seinen Morgenlauf. Ein Traum war ihm noch frisch in Erinnerung. Er hatte von dem Haus in Brampton geträumt. Die Wände des Hauses waren offen gewesen wie das Modell einer Krippenszene oder wie eine Puppenstube. Die Tiere waren ungehindert hinein- und hinausgelaufen. Daniel war in dem Traum erwachsen, wohnte aber immer noch dort und sorgte für die Tiere. Minnie war irgendwo draußen, aber er konnte sie weder sehen noch hören.
    In ihrer Küche hatte er ein Lamm gefunden: schlafend, hörbar zufrieden schnarchend, sein Bauch hob und senkte sich, und ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen. Daniel hatte sich gebückt und das Lamm nach draußen getragen, wo heller Sonnenschein zwischen die Bäume fiel.
    Auf der Bettkante sitzend konnte sich Daniel immer noch an das spürbare Gewicht des Lamms in seinen Händen und an die Wärme seines dünnen Fells erinnern.
    Nach dem Frühstück sah er nach seinen E-Mails, dann rief er Cunningham zurück und erklärte sich damit einverstanden, dass die Farm verkauft würde. Daniel sprach sehr leise, als er diese Worte sagte, für den Fall, dass er seine Meinung ändern sollte. Es war Zeit, das Haus zu verkaufen, entschied er. Er musste Abstand gewinnen. Wenn das Haus weg wäre, käme er vielleicht über seine Reue hinweg. Er würde nicht mehr über sie nachdenken.

26
    Minnie hatte ihn zur Universität fahren wollen, aber Daniel wusste, dass ihr davor bange war. Schließlich nahm er den Zug nach Sheffield und erlaubte ihr, ihn bis nach Carlisle zu fahren. Blitz hatte den ganzen Weg im Wagen gewimmert, und als sie auf den Bahnsteig kamen, waren Minnies Augen vor Tränen glasig.
    »Mum, in zehn Wochen bin ich zurück. Weihnachten ist in zehn Wochen .«
    »Ich weiß, Liebling«, hatte sie gesagt und sein Gesicht in beide Hände genommen. »Es scheint eine so lange Zeit zu sein, und die Zeit, die ich mit dir hatte, erscheint zu kurz. Ich kann’s gar nicht glauben.«
    Es war ein warmer Tag. Blitz zerrte an seiner Leine, indem er auf die Geräusche von Menschen und Zügen zustürmte. Daniel roch den Diesel und verspürte eine kurze angstvolle Erregung bei dem Gedanken, Brampton zu verlassen und wieder in einer Großstadt zu leben. Er sah, wie Minnie einen Handknöchel gegen ihr Auge drückte.
    »Wirst du zurechtkommen?«, fragte er.
    Sie stieß einen Seufzer aus und strahlte ihn an, die Wangen gerötet. »Es wird mir einfach prächtig gehen. Sieh du nur zu, dass du Spaß hast. Ruf mich ab und zu an, damit ich weiß, dass du lebst und nicht dem Trunk und den Drogen verfallen bist.« Sie lachte, aber Daniel sah, dass ihre Augen wieder zu glänzen begannen.
    »Wirst du mich anrufen?«, fragte er.
    »Versuche, mich daran zu hindern.«
    Er lächelte, das Kinn auf die Brust gedrückt. Am liebsten wäre er jetzt gegangen, aber es waren noch ein paar Minuten bis zu seinem Zug. Sie zu verlassen, war schwerer, als er sich das vorgestellt hatte, und jetzt wünschte er, er hätte sich schon auf der Farm von ihr verabschiedet. Einerseits sorgte

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