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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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der Pause folgte Daniel den Crolls aus dem Gerichtssaal. Selbst Charlottes Gesichtshaut zitterte. Er begleitete das Paar zu dem öffentlichen Warteraum. Kenneth Croll dirigierte seine Frau an ihrem Ellbogen in den Raum. Er verlangte Kaffee, aber Charlotte zitterte zu sehr, um die Münzen in den Schlitz zu stecken. Daniel half ihr und trug die Becher dorthin, wo Kenneth mit gespreizten Beinen zurückgelehnt in einem Sessel saß, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
    »Können wir in Revision gehen?«, fragte er.
    »Über Revision können wir reden, wenn er schuldig gesprochen wird«, gab Daniel zurück.
    Crolls Augen schienen vor Zorn zu blitzen. Daniel hielt seinem Blick stand.
    Im Gerichtssaal fand Daniel, dass Irene nervös aussah. Er hatte sie noch nie nervös erlebt. Hibbelig drehte sie ihre Uhr am Handgelenk herum. Er hatte keine Gelegenheit gehabt, mit ihr zu sprechen, aber sie schaute zu ihm herüber. Daniel artikulierte lautlos viel Glück . Sie lächelte und sah weg.
    Als sie aufgerufen wurde, erhob sich Irene und legte ihr offenes Notizbuch auf das Pult. Es herrschte Schweigen, während sie einen Blick auf ihre Notizen warf und sich ihre Argumente vor Augen führte. Als sie Tyrel verteidigten, hatte Irene ihr Schlussplädoyer am Abend zuvor vor Daniel geprobt. Er erinnerte sich, dass sie vor ihm in Strümpfen auf und ab geschritten war.
    Jetzt wandte sie sich den Geschworenen zu.
    »Sebastian … ist ein kleiner Junge«, begann sie. Sie wirkte nicht mehr nervös: Schultern zurück, Kinn hoch. »Sebastian … ist elf Jahre alt. Wäre er achtzehn Monate jünger, würde er heute nicht vor Ihnen stehen. Sebastian ist ein Kind, das wegen Mordes unter Anklage steht. Er wird beschuldigt, einen anderen kleinen Jungen getötet zu haben, ein Kind, das noch kleiner war als er jetzt. – Dass Ben ermordet wurde, ist eine Tragödie, die uns alle niederschmettern sollte … aber wir bekommen keine Gerechtigkeit für den kleinen Ben, wenn wir den Falschen verurteilen, und gewiss nicht, wenn wir einen anderen unschuldigen kleinen Jungen verurteilen. – Alle Zeitungen lieben eine gute Story, und ich weiß, Sie haben über diesen Fall in den Zeitungen gelesen, bevor Sie auch nur berufen wurden und wussten, dass Sie auf dieser Geschworenenbank sitzen würden. Die Zeitungen haben über gesellschaftlichen Niedergang, über das Versagen der Familie geschrieben … Die Zeitungen haben Wörter wie bösartig, gemein und verkommen benutzt. – Aber, meine Damen und Herren, ich muss Sie daran erinnern, dass dies hier … kein Zeitungsartikel ist. In diesem Prozess geht es nicht um gesellschaftlichen Niedergang, und es ist nicht Ihre Aufgabe, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten. Ihre Auf gabe ist es, die Tatsachen zu bedenken, wie sie Ihnen in diesem Gerichtssaal unterbreitet wurden, und nicht in der Presse. Es ist Ihre Aufgabe, die Beweise und nur die Beweise zu bedenken, bevor Sie entscheiden, ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht schuldig. – Sie haben während dieses Prozesses ein paar schreckliche Bilder gesehen und ein paar verstörende Aussagen gehört. Es ist natürlich, dass man, wenn man mit schockierenden Gewalttaten konfrontiert wird, Schuld zuweisen, jemanden finden möchte, der … dafür verantwortlich ist. Aber dieser kleine Junge ist nicht verantwortlich für die Gewalttat, die Ihnen im Lauf dieses Prozesses geschildert wurde. – Wie lauten also die Beweise? – Es gab keine Zeugen dieses schrecklichen Verbrechens. Niemand hat gesehen, wie Ben das Leid zugefügt wurde. Ein Zeuge hat allerdings behauptet, er habe gesehen, wie sich Sebastian und Ben am Spätnachmittag des Mordtags prügelten, aber der Bericht des Zeugen war nicht glaubhaft. Es gibt ein Mordwerkzeug unter den Beweismitteln, aber es kann keinem Verdächtigen zugeordnet werden. Weder Fingerabdrücke noch DNA wurden an dem Backstein gefunden, der für die Tötung des kleinen Ben Stokes benutzt wurde. Er hat eine Hirnblutung erlitten, was bedeutet, dass wir in etwa wissen, wann er gestorben ist – gegen sechs Uhr abends –, aber wir wissen nicht, wann er angegriffen wurde und den tödlichen Schlag erlitt. Sebastian war ab drei Uhr nachmittags zu Hause, lange bevor Ben vermisst wurde. – Sebastian räumt ein, sich früher an jenem Tag mit Ben geprügelt zu haben, und er erzählte uns, dass Ben von dem Klettergerüst gesprungen ist, wonach seine Nase blutete. Spritzer von Bens Blut und Fasern seiner Kleidung gerieten auf Sebastians Kleidung,

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