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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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wandte sich wieder zur Kamera und blinzelte.
    »Ben Stokes war dein Freund. Was mochtest du an ihm?«
    »Er war drollig und … er konnte sehr gut Purzelbäume rückwärts. Ich kann die nicht. Davon tut mir der Nacken weh.«
    »Du kanntest Ben fast vier Jahre. Habt ihr euch in dieser ganzen Zeit jemals so geprügelt, dass einer von euch ins Krankenhaus musste oder sogar Erste Hilfe brauchte?«
    »Nein, aber wir haben manchmal zum Spaß Ringkämpfe gemacht und uns ein paar Mal geprügelt, aber wir haben uns nicht wirklich wehgetan.«
    »Ich verstehe. Hast du Ben Stokes am achten August dieses Jahres getötet?«
    »Nein.« Sebastian schwieg, das Kinn auf der Brust.
    »Hast du am achten August auf dem Abenteuerspielplatz deinen Freund Ben Stokes mit einem Backstein ins Gesicht geschlagen?«
    »Nein!« Sebastians Mund war rund, die Augen voll Verzweiflung niedergeschlagen.
    Daniel spürte, wie die Energie im Saal sich verlagerte. Die Geschworenen, selbst die Anwesenden auf der Galerie, schienen entsetzt, dass Irene dem Kind derart gegenübertrat. Aber Daniel war stolz auf sie. Der Vogel war möglicherweise inzwischen vergessen.
    »Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
    Ohne Stimme brummte der Bildschirm. Sebastian starrte in die Kamera, seine Augen leuchteten, und ein leichtes Lächeln lag auf seinen noch immer roten Lippen. Sebastian wischte sich jedes Auge einzeln und schaute dann nach oben. Sein weißes Gesicht nahm das Gericht ein letztes Mal gefangen, dann wurde der Monitor ausgeschaltet.
    Daniel ging nach draußen, denn er brauchte Luft. Er würde nach unten gehen müssen und nach dem Jungen sehen, ehe das Gericht wieder zusammenkam.
    Es war für Daniel schwer gewesen, Sebastian bei seiner Aussage zu beobachten. Er schlug den Kragen hoch und schaute hinauf zu den Wolken, die schwer auf den Gebäuden lasteten. In seinem Kopf herrschte ein Durcheinander aus jüngsten und fernen Erinnerungen. Er sah Sebastians Gesicht vergrößert auf dem Bildschirm; hörte das Klappern des Eimers und des Spatens in Minnies Hof; wieder sah er Minnie hinfallen – den Halt verlieren und auf ihre schlimme Hüfte fallen, als er sich von ihr losriss.
    Er hatte ihr wehgetan, das sah er jetzt.
    Sein Schmerz über die Lüge, die sie ihm aufgetischt hatte, erschien ihm jetzt weniger bedeutend als der Schmerz, den er ihr angetan hatte. Sie hatte immer gewusst, was das Beste für ihn war. Damals hatte er das nicht begriffen, aber sie hatte ihn beschützt. Er dachte an ihr Sterben, als sie sich wünschte, ihn noch ein einziges Mal zu sehen, aber wusste, dass er nicht kommen würde. Sie war die Einzige, von der er wirklich glaubte, dass sie ihn geliebt hatte. Er schloss die Augen und erinnerte sich an das warme Gewicht ihrer Hand auf seinem Kopf, wenn sie ihm Gute Nacht sagte. Selbst während der Jahre des Zorns hatte er nicht daran gezweifelt, dass sie ihn liebte. Er hoffte, dass sie gewusst hatte, dass auch er sie liebte. Jahre, die er sie verleugnet hatte, aber nun erkannte er all das an, was sie für ihn getan hatte.
    Daniel ging nach unten, um nachzusehen, was Sebastian machte, der in seiner Zelle wieder mit dem Polizeibeamten spielte. Er war geschwätzig und energiegeladen und stand auf seinem Betonbett und langte nach der Decke. Es schien, als hätte ihn das Kreuzverhör nicht berührt und als sei ihm nicht klar, ob er darin schlecht oder gut abgeschnitten hatte.
    »Lief es für mich okay?«, fragte Sebastian und sah mit zwinkernden Augen zu Daniel hoch.
    Daniel steckte seine Hände in die Taschen. »Es lief prima.«
    Oben rief Daniel Cunningham an.
    »Sie werden erleichtert sein, dass alles vorbei ist«, sagte Cunningham. »Ich weiß, Sie dachten, der Verkauf würde ewig dauern, aber es ging schneller, als ich es je gedacht hätte. Kommen Sie rauf, oder möchten Sie, dass ich die Sache abwickle?«
    »Tun Sie’s«, sagte Daniel rasch. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und machte auf dem Korridor kehrt. »Oder … können Sie warten? Ich könnte am Wochenende raufkommen. Ich würde das Haus gern noch einmal sehen – ich hab nur … Könnten Sie halt einfach warten?«
    »Natürlich. Tut mir leid, dass es im Moment … eine schwierige Zeit für Sie ist.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich hab Sie im Fernsehen gesehen. Der Engelmörder. Sie haben mit dem Fall zu tun.«
    Daniel holte tief Luft. Alle anderen waren über Sebastian zu einer Meinung gekommen. Er fragte sich, welche Entscheidung die Geschworenen fällen würden.

30
    Jones

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