Der Schuldige: Roman (German Edition)
er ihn eingesteckt hatte, aber inzwischen hatte er einen Wert für ihn.
»Da bist du ja, Schätzchen. Hast du Hunger?«
Sie schleppte einen Kübel Viehfutter in den Flur.
»Ich mach uns Porridge, und dann führ ich dich rum. Zeige dir deine Aufgaben. Wir alle haben hier was zu tun.«
Daniel sah sie an und runzelte die Stirn. Sie redete, als hätte sie eine große Familie, dabei gab es nur sie und die Tiere.
Minnie kochte Porridge und räumte eine Stelle auf dem Tisch frei, damit sie essen konnten. Beim Essen gab sie einen komischen Laut von sich, als atmete sie den Haferbrei ein. Nachdem sie ihn runtergeschluckt hatte, machte sie als Anerkennung für den Geschmack ein Geräusch, als schnalzte sie mit der Zunge. Die Geräusche lenkten Daniel ab, und so war er als Erster fertig.
»Es gibt noch mehr, wenn du möchtest, Schätzchen.«
Wieder sagte er, er sei satt.
»Na schön. Machen wir uns an die Arbeit. Du hast keine Gummistiefel, nicht?«
Er schüttelte den Kopf.
»Kein Problem, ich habe ziemlich viele in allen Größen. Komm mit.«
Draußen öffnete sie den Schuppen und ging hinein. Es roch nach feuchter Erde. An einer Wand stand eine Reihe von Gummistiefeln, große und kleine, so wie sie es gesagt hatte. Im Ganzen zehn oder zwölf Paare. Einige in Kindergröße, und dann gab es da ein Paar riesige grüne Stiefel für einen ausgewachsenen Mann.
»Sind das alle die Kinder, die du aufgenommen hast?«, fragte er, als er ein Paar anprobierte.
»Und noch ein paar mehr«, sagte sie und bückte sich, um einen oder zwei, die umgefallen waren, wieder aufzurichten. Als sie sich bückte, rutschte ihr der Rock hinten nach oben und entblößte ihre weißen Waden.
»Wie lange nimmst du denn schon Kinder in Pflege?«
»Oh, ich weiß nicht, Liebling. Müssen inzwischen mehr als zehn Jahre sein.«
»Bist du traurig, wenn die Kinder weggehen?«
»Nicht, wenn sie irgendwo hinkommen, wo sie glücklich sind. Ein paar wurden von netten Familien adoptiert.«
»Manchmal muss man aber auch zu seiner Mama zurück …«
»Das stimmt. Manchmal, wenn’s zum Guten führt.«
Seine Stiefel waren ein bisschen zu groß, aber es würde gehen. Er folgte Minnie in den Hühnerhof, dann in den Schuppen an dessen Ende. Dort drin roch es nach Urin. Hühner gluckten um seine Füße herum, und er bekam Lust, nach ihnen zu treten, wie er es im Park mit den Tauben machte, aber er hielt sich zurück.
»Ich seh mal nach Hector«, sagte sie. »Er ist alt und kann etwas schlecht gelaunt sein. Ich versorge ihn sofort nach dem Aufstehen. Deine Aufgabe ist es, die Hühner zu füttern und nach Eiern zu suchen. Das ist hier die wichtigste Arbeit. Hector gibt es hier bloß, weil ich ihn liebe, aber Geld verdiene ich mit den Hühnern. Ich zeige dir, wie man sie füttert, und dann können wir nach Eiern suchen. Es ist einfach. Wenn du’s mal begriffen hast, kannst du es jeden Morgen vor der Schule tun. Das wird deine Aufgabe sein.«
Der Hühnerhof war fast fünfzig Meter lang. Ein Teil war überdacht, aber der Rest offen. Daniel sah zu, wie sie Hände voll Futter über den ganzen Hühnerhof verstreute. Sie sagte zu ihm, er solle es auch mal versuchen, und er ahmte nach, wie sie das Futter verstreut hatte.
»Das ist Hafer«, sagte sie. »Der Bauer zwei Höfe weiter gibt ihn mir für einen Karton Eier. Aber nicht zu viel geben, wohlgemerkt. Eine oder zwei Handvoll sind genug. Sie kriegen die Küchenabfälle, und dann haben sie das Gras und die Unkräuter, die sie auch mögen. Wie viele haben wir hier, was meinst du?«
»Ungefähr vierzig«, sagte er.
Sie drehte sich um und sah Daniel sonderbar und mit leicht geöffnetem Mund an.
»Bravo, kleiner Schlaumeier. Es sind neununddreißig. Wie hast du das rausgekriegt?«
»Sieht nach so vielen aus.«
»Na schön, während sie jetzt mit Picken beschäftigt sind, gehen wir die Eier suchen. Nimm das hier …« Sie reichte Daniel eine flache Pappschale, dann betraten sie den überdachten Teil. »Man kann sehen, wo sie gesessen haben«, sagte sie. »Siehst du? Guck, hier hab ich eines. Schön dick ist es.«
Daniel mochte die Farm und ihr Haus nicht, aber diese Aufgabe gefiel ihm. Ihn durchfuhr eine lebhafte Freude, als er nach den Eiern suchte und welche fand. Sie waren schmutzig, mit Hühnerkot bespritzt und voll Federn, aber sie gefielen ihm. Er wollte sie nicht kaputt machen, so wie er sich wünschte, den Porzellanschmetterling kaputt zu machen und nach den Hühnern zu treten. Ein Ei behielt er und
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