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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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liefen sie über Ländereien, dann durch einen Park, schließlich über eine Weide mit Kühen. Beim Gehen erzählte Minnie Daniel etwas über Brampton, obwohl er ihr sagte, es interessierte ihn nicht. Er bliebe sowieso nicht lange.
    Brampton liege nur zwei Meilen südlich vom Hadrianswall, erzählte sie ihm. Als er sagte, von dem Wall hätte er noch nie was gehört, erwiderte sie, eines Tages würde sie ihn dort hinbringen. Es seien zehn Meilen bis nach Carlisle und fünfundfünfzig bis nach Newcastle.
    Fünfundfünfzig Meilen , dachte Daniel, während er hinter ihr hertrottete.
    »Ist alles in Ordnung, Schatz?«, fragte sie. »Du siehst heute richtig niedergeschlagen aus.«
    »Alles okay.«
    »Was möchtest du denn gerne machen? Bin nicht an Jungs gewöhnt, das bin ich nicht. Du musst mich mal auf den neuesten Stand bringen. Was machst du denn gern, he? Fußball?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er.
    Sie kamen an dem Park vorbei, und Daniel sah zu den Schaukeln hinüber. Auf einer saß ganz allein ein untersetzter Mann und brachte sich mit einem Fuß leicht ins Schwingen.
    »Willste’s auch mal probieren? Wir haben Zeit.«
    »Dieser Typ ist da«, sagte er und blinzelte in die Sonne, die mittlerweile hoch am Himmel stand.
    »Das ist bloß Billy Harper. Billy tut dir nichts. Er liebt die Schaukeln. Immer schon. Er ist in Ordnung. Würde keiner Fliege was tun. Hier in der Gegend, Schatz, kennt jeder jeden. Das ist das Schlechteste an dem Ort, das wirst du noch rausfinden. Aber das Gute daran ist: Kennst du mal von jedermann die Verhältnisse, hast du nichts zu fürchten. Es gibt keine Geheimnisse in Brampton.«
    Daniel dachte darüber nach: Keine Geheimnisse, und jeder kannte deine Verhältnisse. Er kannte kleine Orte. Er war in einige gesteckt worden, als seine Mum krank war. Er mochte keine kleinen Orte. Er mochte Newcastle. Er wollte in London wohnen. Er liebte es nicht, wenn Leute seine Verhältnisse kannten.
    Als wenn sie seine Gedanken gehört hätte, sagte sie: »Du magst also Newcastle?«
    »Ja«, sagte er.
    »Würdest du gern wieder dort wohnen?«
    »Ich möchte in London wohnen.«
    »Meine Güte, wirklich? London, das finde ich eine tolle Idee. Mir hat es dort gefallen. Wenn du groß bist und nach London ziehst, als was wirst du denn da arbeiten?«
    »Als Taschendieb.«
    Daniel dachte, sie würde ihn dafür ausschimpfen, aber sie drehte sich um und gab ihm einen leichten Stups mit dem Ellbogen. »Wie Fagin, meinst du?«
    »Was ist das?«
    »Hast du nicht Oliver Twist gesehen?«
    »Vielleicht. Ja, ich glaube.«
    »Da kommt ein alter Mann drin vor – Taschendieb –, nimmt ein böses Ende.«
    Daniel trat gegen ein paar Steine. Eine Kuh machte kehrt und lief auf ihn zu. Daniel zuckte leicht zusammen und machte einen Satz hinter Minnie.
    Sie lachte. »Och, Junge, Kühe tun dir doch nichts. Auf Bullen musst du achtgeben. Das lernst du schon noch.«
    »Woran sieht man, ob es eine Kuh oder ein Bulle ist?«
    »Tja, du Glückspilz. Du bist hier in Brampton. Einem Ort voller Bauern – da kannst du die Antwort schnell rausfinden.«
    »Aber das da ist eine Kuh, oder?«
    »Ja.«
    »Eine alte Kuh wie du?«
    Sie drehte sich auf dem Weg zu ihm herum, blieb stehen und sah ihn an. Sie war ein wenig außer Atem, und ihre Wangen waren rot. Das Licht in ihren Augen war wieder erloschen. Daniels Herz begann, sehr schnell zu schlagen, so wie es schlug, wenn er nach längerer Abwesenheit zu seiner Mum heimkam. Dann pochte ihm immer das Herz, wenn er die Hand auf die Türklinke legte und nicht wusste, was er hinter der Tür vorfinden würde.
    »Habe ich dich beleidigt, seitdem du hier bist?«
    Er sah sie mit leicht geöffnetem Mund an.
    »Na?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Rede.«
    »Nein, hast du nicht.«
    »Ich verlange nichts weiter als die gleiche Höflichkeit. Hast du verstanden?«
    Er nickte.
    »Und da wir gerade dabei sind, du weißt, dass deine Zeit mit diesem Schmetterling bald um ist.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich habe gesagt, du kannst ihn ein paar Tage haben, aber jetzt will ich ihn zurück. Heute Abend, wenn du dir das Gesicht wäschst und die Zähne putzt, will ich, dass du ihn zurücklegst, hast du verstanden?«
    Wieder nickte er, aber sie hatte ihm den Rücken zugekehrt.
    »Ich sagte, hast du verstanden?«
    »Ja«, sagte er lauter, als er es gewollt hatte.
    »Gut«, sagte sie. »Ich freue mich, dass wir uns verstehen. Jetzt wollen wir das Ganze vergessen.«
    Er folgte ihr den Weg hinunter, beobachtete ihre

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