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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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versteckte es in seiner Hosentasche. Es war ein kleines braunes, und er fühlte, dass es noch warm war.
    Als sie fertig waren, zählten sie die Eier. Es waren sechsundzwanzig. Minnie begann, sich auf dem Hof zu schaffen zu machen und Hectors Futter vorzubereiten, während sie mit den Hühnern sprach, die gackernd um ihre Knöchel herumwuselten. Eine Mistgabel stand gegen die Wand gelehnt, und Daniel ergriff sie. Sie war fast zu schwer für ihn, aber er hob sie über seinen Kopf wie ein Gewichtheber. Sie fiel seitlich herunter.
    »Vorsicht, Liebling«, sagte sie.
    Daniel bückte sich und hob sie wieder auf. Minnie hatte sich gebückt, und ihr mächtiger, von dem Rock bedeckter Po ragte in die Luft. Daniel hielt die Gabel dicht an seinen Kopf, machte einen Schritt nach vorn und pikte ihr damit in den Hintern.
    »He«, sagte sie und richtete sich jäh auf. »Leg das wech.« Ihr Akzent war ulkig, vor allem, wenn sie Wörter wie »wech« benutzte.
    Daniel grinste, fuchtelte mit der Gabel herum und machte einen und dann noch einen Schritt auf sie zu, die Gabelenden auf ihr Gesicht gerichtet. Wieder wich sie nicht vor ihm zurück.
    Daniel fühlte plötzlich einen heftigen Stoß gegen das Becken. Er ließ die Gabel fallen, und der Stoß wiederholte sich. Der Ziegenbock stieß ihm ein zweites Mal den Kopf in die untere Rückenpartie, und er stolperte nach vorn und fiel über die Gabel, das Gesicht im Matsch. Er war sofort wieder auf den Füßen und wirbelte herum, die Hände zu Fäusten geballt, bereit zu einem Kampf. Der Ziegenbock senkte den Kopf, sodass Daniel die spitzen braunen Hörner sehen konnte.
    »Nein, Danny«, sagte sie, packte ihn am Ellbogen und zog ihn zurück. »Nicht! Er durchbohrt dich, wie du’s nicht für möglich halten würdest. Der alte Bock hat eine Schwäche für mich. Ihm hat nicht gefallen, was du hier getan hast. Lass ihn jetzt einfach in Ruhe. Wenn er dich mit einem seiner Hörner aufspießt, ist es dein Ende.«
    Daniel ließ sich wegziehen. Dabei bewegte er sich seitwärts auf das Haus zu, sodass er den Ziegenbock im Auge behalten konnte. Als er an der Haustür ankam, streckte er Hector die Zunge heraus. Der Ziegenbock griff erneut an, und Daniel flüchtete ins Haus.
    Minnie sagte Daniel, er solle sich waschen und zum Ausgehen bereit machen. Das tat er, während sie in der Küche die Eier säuberte und verpackte.
    Im Bad wusch er sein Gesicht und putzte sich die Zähne, dann schlich er nach oben. Das Ei in seiner Hosentasche war noch heil, und er legte es in die Schublade neben seinem Bett. Er bettete es auf einen Handschuh und legte drei Socken um es herum wie ein Nest, um es zu wärmen, schloss die Schublade und war schon auf dem Weg nach unten, als ihm noch eine Idee kam. Er ging in das Zimmer zurück, zog die Halskette seiner Mutter unter dem Kissen hervor und legte sie neben das Ei in das Nest. Er kontrollierte seinen Rücken und Hintern auf Kratzer von den Ziegenbockhörnern. Vom Hinfallen hatte er Schrammen an beiden Handtellern.
    Minnie schlang sich einen rosa Wollschal um den Hals. Sie hatte noch immer denselben grauen Rock und die Stiefel an, die sie am Tag zuvor getragen hatte. Über ihre lange Strickjacke zog sie einen grünen Mantel. Er war zu eng, als dass sie ihn zuknöpfen konnte, und so verließ sie einfach so das Haus, mit offenem Mantel und baumelndem rosa Schal.
    Minnie sagte, sie würden Daniel erst in der örtlichen Schule anmelden und ihm anschließend für die Schule ein paar neue Sachen zum Anziehen kaufen.
    »Wir gehen zu Fuß«, sagte sie, als sie an ihrem Wagen vorbeistapften. Es war ein dunkelroter Renault, über dessen rechten Außenspiegel sich Spinnweben spannten. »Muss dir eh den Weg zur Schule zeigen, nicht?«
    Daniel zuckte die Achseln und folgte ihr.
    »Ich hasse Schule«, sagt er. »Ich werde sowieso wieder rausgeschmissen. Ich werde immer rausgeschmissen.«
    »Tja, bei dieser Einstellung überrascht es mich nicht.«
    »Was denn?«
    »Denke positiv. Dann könntest du einfach überrascht sein.«
    »Wie wenn ich mir für meine Mum wünsche, dass es ihr besser geht, und dann passiert es?«
    Minnie antwortete nicht. Er ging einen Schritt hinter ihr.
    »Ich hab es mir jedenfalls jahrelang gewünscht, und es ist nie passiert.«
    »Positiv denken ist was anderes als wünschen. Was du meinst, ist bloß wünschen.«
    Erst fünfzehn Meter vom Haus entfernt gelangten sie auf einen richtigen Weg. Minnie sagte, es wären zwanzig Minuten zu Fuß bis zur Schule.
    Zuerst

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