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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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aber sie waren zu weit weg. Billy Harper saß nicht auf den Schaukeln, und Daniel machte halt und verhedderte sie so, dass die anderen Kinder nicht darauf schaukeln konnten. Er hatte sich zur Schule verspätet, aber das interessierte ihn nicht.
    Ihn interessierten nicht letzte Chancen oder Neuanfänge. Er wollte nur, dass alle sich verpissten und ihn in Ruhe ließen.
    Fürs Zuspätkommen am ersten Tag bekam er eine Strafarbeit auf.
    Seine Lehrerin hieß Miss Pringle und erinnerte ihn an den Schmetterling. Sie trug einen hellblauen Pullover und hatte blonde Haare, die ihr bis über die Schultern reichten. Auf einer der Gesäßtaschen ihrer engen Jeans prangte eine gestickte Rose. Sie war die jüngste Lehrerin, die er je gehabt hatte.
    »Würdest du dich bitte an den blauen Tisch setzen, Daniel?«, sagte Miss Pringle. Sie beugte sich ein wenig vor, um mit ihm zu reden, und klemmte ihre zusammengepressten Handflächen zwischen ihre Knie.
    Er nickte und setzte sich an den Tisch, der neben ihrem Pult stand. An dem Tisch saßen zwei andere Jungs und zwei Mädchen. Ein Stück blaues Papier war auf die Mitte des Tischs ge klebt. Daniel setzte sich, die Hände unter dem Tisch, und schaute auf eine Stelle im Fußboden neben Miss Pringles Pult.
    »Liebe Mädchen und Jungen, mit Freuden heißen wir Daniel in unserer Klasse willkommen. Würdet ihr ihn bitte in unserer Klasse willkommen heißen?«
    Willkommen in unserer Klasse, Daniel.
    Er spürte, wie sich seine Schultern zusammenkrümmten, als er ihre Blicke auf sich gerichtet fühlte.
    »Daniel ist von Newcastle hierhergezogen. Wir alle lieben Newcastle, nicht wahr?«
    Es folgte ein Durcheinander an Kommentaren und allgemeinem Stühlescharren. Daniel blickte zu der Lehrerin auf. Sie schien ihm eine Frage stellen zu wollen, entschied sich dann aber anders. Er war ihr dankbar.
    Den ganzen Morgen hindurch strich Miss Pringle ihm immer wieder über den Rücken, wenn sie neben ihm in die Hocke ging, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Er tat nicht das, wozu sie die Schüler aufgefordert hatte, und sie dachte, er hätte sie nicht richtig verstanden.
    Die Jungs an seinem Tisch hießen Gordon und Brian. Gor don sagte, ihm gefalle Daniels Motorrad-Griffelkasten, den Minnie ihm gekauft hatte. Daniel lehnte sich über den Tisch und flüsterte Gordon zu, wenn er das Kästchen anfasse, würde er ihn erstechen. Daniel sagte, er habe ein Messer. Die Mädchen an dem Tisch lachten, und er versprach, es ihnen zu zeigen.
    Die Mädchen hießen Sylvia und Beth.
    »Meine Mum hat mir erzählt, du bist das neue Flynn-Pflegekind«, sagte Sylvia.
    Daniel ließ sich auf den Tisch über die Kladde sacken, die er mit Bildern von Pistolen vollgekritzelt hatte, obwohl Miss Pringle zu ihnen gesagt hatte, sie sollten über ihr Lieblingshobby schreiben.
    Beth beugte sich herüber und zog Daniel die Kladde weg.
    »Gib sie wieder her«, sagte er zu ihr.
    »Wie lange wohnst du denn schon hier?«, fragte Beth mit vor Schadenfreude aufgerissenen Augen und hielt die Kladde so, dass er nicht darankam.
    »Vier Tage. Gib mir meine Kladde wieder, oder ich zieh dich an den Haaren.«
    »Wenn du mich anfasst, tret ich dir in die Eier. Mein Dad hat mir gezeigt, wie das geht. Du weißt doch, dass die alte Flynn ’ne irische Hexe ist, oder? Hast du schon ihren Besenstiel gesehen?«
    Daniel zog Beth an den Haaren, aber nicht so fest, dass sie schreien musste. Er langte über den Tisch und schnappte sich seine Kladde.
    »Pass bloß auf. Sie kocht aus allen Kindern Stew. Sie hat ihre eigene Tochter gefressen und dann ihren Mann mit dem Schürhaken vom Herd erschlagen. Hat ihn blutend im Garten hinter dem Haus liegen gelassen, und das Blut ist über den ganzen Rasen gelaufen …«
    »Was ist hier los?« Miss Pringle stand da, die Hände an den Hüften.
    »Daniel hat mich an den Haaren gezogen, Miss.«
    »Wir petzen nicht, Beth.«
    Auf dem Schulhof aß Daniel zur Mittagszeit die Sandwiches mit Käse und Pickles, die Minnie ihm gemacht hatte, und sah den Jungen beim Fußballspielen zu. Dazu setzte er sich auf die Mauer, schniefte und versuchte, jemandes Blick auf sich zu ziehen. Als er mit seinem Lunch fertig war, warf er die Tüte auf die Erde. Der Wind schnappte sie sich und fegte sie zu den Abflussrinnen des Spielfelds dicht am Drahtzaun. Er steckte die Hände in die Taschen und beugte sich vor. Es war kalt, aber er konnte nirgendwo hin, bis es Zeit war, wieder hineinzugehen. Er sah ihnen gern beim Spielen zu.
    »Willste

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