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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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als ihn der Beamte hereinführte. Charlotte folgte und nahm ihre Sonnenbrille erst ab, als sie sich setzte. Ihre Finger zitterten.
    Sergeant Turner erledigte den routinemäßigen Ablauf, indem er sich auswies und Datum und Uhrzeit feststellte. Daniel zog die Kappe von seinem Kugelschreiber und wartete darauf, dass die Befragung anfing.
    »Wie geht es dir heute Morgen, Sebastian?«, fragte Sergeant Turner.
    »Gut, danke«, antwortete Sebastian. »Ich hatte französischen Toast zum Frühstück. Er war allerdings nicht so gut wie der von Olga.«
    »Olga macht dir welche, wenn du nach Hause kommst«, sagte Charlotte mit rauer, fast heiserer Stimme.
    »Du erinnerst dich, dass wir dir deine Kleider weggenommen haben, Sebastian, um sie zur Untersuchung ins Labor zu schicken?«
    »Natürlich erinnere ich mich.«
    »Nun, wir haben von dem Labor einen mündlichen Bericht, in dem steht, dass die roten Flecken auf deinem Hemd wirklich Blut sind.«
    Sebastian spitzte die Lippen, als wollte er jemandem einen Kuss geben. Er lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten und zog eine Augenbraue in die Höhe.
    »Weißt du, von wem das Blut auf deinem Hemd gewesen sein könnte, Sebastian?«
    »Von einem Vogel.«
    »Ach ja? Hast du denn einen Vogel verletzt?«
    »Nein, aber ich habe mal einen toten Vogel gefunden und ihn aufgehoben. Er war noch warm, und sein Blut war ganz klebrig.«
    »Hast du den toten Vogel an dem Tag gefunden, an dem Ben getötet wurde?«
    »Das weiß ich nicht mehr genau.«
    »Nun, es hat sich herausgestellt, dass das Blut auf deinem Hemd von keinem Vogel stammt. Es ist menschliches Blut. Es ist Ben Stokes’ Blut.«
    Sebastian musterte die Ecken des Raums, und Daniel war sich sicher, dass er den Jungen lächeln sah. Es war kein breites Lächeln, eher ein leichtes Zucken seiner Lippen. Daniel fühlte sein Herz schlagen.
    »Weißt du, wie Bens Blut auf dein Hemd gekommen sein könnte, Sebastian?«
    »Vielleicht hatte er sich geschnitten, und als wir spielten, hat er es irgendwie an mir abgewischt.«
    »Nun, die Fachleute, die sich dein Hemd angesehen haben, können eine Menge über die Art des Blutes aussagen, das an deinem Hemd ist. Es hat sich herausgestellt, dass das Blut an deinem Hemd sogenanntes ausgeatmetes Blut ist. Das ist Blut, das aus Bens Mund oder Nase gesprudelt ist …«
    Charlotte bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Ihre langen Fingernägel reichten über ihre Stirn bis hinauf zu den Haarwurzeln.
    »Es findet sich auch ein Sprühnebel aus Blut auf deiner Hose und deinen Schuhen. Das ist Blut, versprüht auf Grund einer Gewalteinwirkung …«
    Jetzt hatte Sebastian beide Augenbrauen hochgezogen. Er blickte hinauf in die Kamera. Für einen Augenblick war Daniel wie erstarrt. Es war der Anblick des hübschen kleinen Jungen, der ins Auge der Obrigkeit aufblickt; all die unsichtbaren Leute, die ihn ein Stockwerk höher beobachteten, diese kindliche Miene betrachteten und Gründe für die Schuld zu finden versuchten. Daniel fielen die Heiligen wieder ein, zu denen Minnie gebetet hatte, während sie die Perlen ihres Rosenkranzes durch ihre weichen, dicken Finger gleiten ließ. Es waren Pfeile auf den heiligen Sebastian herabgeregnet, doch er war am Leben geblieben. Daniel konnte sich nicht erinnern, wie er gestorben war, aber es war ein gewaltsamer Tod gewesen. Und als die Polizeibeamten weitere Beweise für Sebastians Schuld vorlegten, fühlte Daniel eine umso stärkere Notwendigkeit, ihn zu verteidigen. Der Zeuge hatte sich gemeldet und ausgesagt, er habe viel später an dem Tag gesehen, wie sich Sebastian mit Ben auf dem Abenteuerspielplatz prügelte, nachdem er nach Aussage von Sebastians Mutter längst nach Hause gekommen war, obwohl das durch die Videoüberwachung nicht bestätigt wurde. Daniel ließ sich weder dadurch noch durch die Gerichtsmedizin Bange machen. Oft genug hatte er derartige Beweise erschüttert.
    Daniel spürte die Erregung der Polizeibeamten, während sie mit ihren Fragen weitermachten. Er wartete darauf, dass sie die Linie übertreten würden – er wünschte sich geradezu, dass sie zu weit gehen würden, damit er der Sache Einhalt gebieten konnte.
    »Kannst du erklären, wie Bens Blut auf deine Kleidung gekommen sein könnte, Seb?«, fragte Turner nun. »Die Wissenschaftler sagen uns, diese Art Blut auf deinen Kleidern könnte darauf hindeuten, dass du Ben verletzt hast, sodass er geblutet hat.«
    »Könnte darauf hindeuten«, sagte Sebastian.
    »Wie bitte?«
    »Das Blut könnte

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