Der Schuldige: Roman (German Edition)
gut.«
»Das glaube ich auch. Ich möchte nur, dass du mir vertraust. Ich bin auf deiner Seite, Schatz. Du musst nicht mehr alles auf eigene Faust erledigen.«
Versprechen. Vertrauen. Auf eigene Faust. Die Worte hämmerten in seiner Brust. Es war, als hätte er Minnie nicht gehört oder als wären die Worte Steine, die ihn trafen. Schatz. Vertrauen. Eigen. Daniel wusste nicht, warum sie schmerzten.
»Halt doch die Klappe.«
»Danny, ich weiß, du möchtest deine Mum sehen. Ich verstehe das. Ich werde dir helfen herauszufinden, wo sie ist, und wir können mit deiner Sozialarbeiterin über Besuche in vernünftigem Rahmen reden. Aber du musst aufpassen, Danny. Ich kann nicht zulassen, dass du in einem fort wegläufst. Dann nehmen sie dich mir weg, verstehst du, und das ist das Letzte, was ich mir auf dieser Erde wünsche.«
Daniel war sich nicht sicher, was ihn mehr ängstigte, der Gedanke, seine Mutter nicht zu sehen, oder der, Minnie wieder weggenommen zu werden. Er war es leid, ewig an neue Orte zu kommen und dann wieder weggeschickt zu werden, aber hier zu bleiben, hoffte er nicht. Er wusste, der Abschied käme bald. Das Beste wäre, er würde ihn provozieren.
Als Erstes bemerkte er, dass seine Finger, noch schmierig von dem Getreide, zusammenklebten, als wären sie mit einem Netz überzogen, dann begann sein Herz heftig zu schlagen, und er konnte nicht atmen. Er stand vom Tisch auf, und sein Stuhl kippte nach hinten um. Der Knall erschreckte Blitz, der auf sprang. Daniel rannte aus der Küche und geradewegs die Treppe hinauf in sein Zimmer.
»Danny!«, hörte er sie rufen.
Er stand am Fenster und blickte hinunter in den Hof. Seine Augen waren heiß, und seine Hände zitterten. Er hörte sie auf der Treppe am Geländer zerren, um sich nach oben zu hieven. Er drehte sich um, und die schwindelerregenden Rosenknospen der Tapete schwirrten auf ihn zu.
Er griff sich mit den Händen in die Haare und zog daran, bis ihm Tränen in die Augen traten. Er schrie lange und schrill, bis er außer Atem war. Als sie das Zimmer betrat, nahm er das Schmuckkästchen von der Kommode und schleuderte es in den Spiegel des Kleiderschranks. Kaum kam sie auf ihn zu, griff er nach der Kommode und kippte sie ihr vor die Füße. Er sah, dass sie auf das Bett kletterte, um zu ihm zu gelangen, und er begann, mit der Faust und dann mit dem Kopf auf die Fensterscheiben einzuschlagen. Er wollte raus, weg von ihr. Er wollte zu seiner Mum.
Er hörte nicht, was sie sagte, aber ihre Lippen bewegten sich, und ihren Blick hatte sie bekümmert gesenkt. Kaum spürte er die Berührung ihrer Hände, wirbelte er herum und versetzte ihr einen Schlag auf den Mund. Dann drehte er sich von ihr weg, weil er ihren vorwurfsvollen Blick nicht sehen wollte. Wieder schlug er auf das Fenster ein, erst mit der Faust und dann mit dem Kopf, und es zersprang, aber da fühlte er ihre Hände auf seiner Schulter. Angriffslustig drehte er sich um, aber sie zog ihn an sich und hinunter auf den Fußboden.
Sie hielt ihn mit ihren Armen umschlungen. Sein Gesicht war gegen ihre Brust gepresst, und er fühlte ihre Arme, die sich wie Taue um ihn legten, und ihr schieres Gewicht. Er kämpfte dagegen an. Er trat um sich und versuchte freizukommen, aber es hatte keinen Zweck. Noch einmal versuchte er zu schreien, aber sie drückte ihn nur fester an sich.
»Das war’s, mein Junge, ist ja okay. Ist ja alles okay. Lass es jetzt raus. Lass alles raus. Es ist okay.«
Er wollte nicht weinen. Er versuchte nicht einmal, es aufzuhalten. Er war einfach so müde. Sie kamen einfach so aus ihm raus, die Tränen und die Schluchzer. Er konnte nicht aufhören. Sie setzte sich auf und lehnte sich gegen den kaputten Spiegel des Kleiderschranks, während sie ihn unentwegt fest an sich presste. Sie hielt nicht mehr seine Arme fest, zog ihn aber dichter an sich. Er fühlte ihre Lippen auf seiner Stirn. Er nahm die Geräusche wahr, die er machte: seine verstohlenen, ungleichmäßigen Schluchzer und ihren Geruch. Ihre feuchte Wolle war plötzlich wohltuend, und er atmete ihren Geruch ein.
Daniel wusste nicht, wie lange sie so dalagen, aber es war lange. Draußen veränderte sich das Wetter, und der feuchte Morgen ging in hellen Sonnenschein über, der auf das Haus und die Farm fiel, die von Wasser troffen. Er hatte aufgehört zu weinen, aber er schluchzte noch, als koste er etwas sehr Heißes. Er war fix und fertig. Er wusste nicht, was er als Nächstes tun sollte.
»Ganz ruhig, psst, mein
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