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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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Widerspruch, der das Ungesagte mitteilte. Er erinnerte ihn an manchen Handschlag mit Mandanten, nachdem der Richter sie zu Gefängnis verurteilt hatte. Freundlichkeit, mit rascher Grausamkeit vermittelt.
    Daniel war drauf und dran, sich befreit von ihm abzuwenden, da warf Cunningham die Hände in die Luft.
    »Ihr Karton! Ihr Karton liegt in meinem Wagen. Einen Moment.«
    Daniel wartete, während Cunningham den Pappkarton aus dem Kofferraum holte. Der Geruch von den Feldern und Farmen beruhigte ihn nicht. Er erschien ihm grob.
    »Bitteschön«, sagte Cunningham. »Nicht viel wert, aber sie wollte, dass Sie ihn bekommen.«
    Um einen zweiten Händedruck zu vermeiden, salutierte Cunningham militärisch. Daniel verwirrte diese Geste, aber er nickte zum Abschied.
    Der Karton war leicht. Er legte ihn in den Kofferraum seines Wagens, ohne hineinzusehen.

8
    Er steckte seine Füße in die zu großen Gummistiefel. Durch seine Socken hindurch fühlten sie sich kalt an wie fest gewordene Sülze. Wie verlangt, streute er den Hühnern Küchenabfälle hin. Er versuchte, die kalten Gemüse nicht mit den Fingern zu berühren, aber etwas Getreide blieb an seinen Fingernägeln hängen. Er schnippte es weg wie Rotz. Minnie hatte zu ihm gesagt, sie meine, seine Nase sei gebrochen. Er fand es schwierig zu atmen, während er die Hühner fütterte. Aber es war ihm ziemlich egal, weil er ihren Gestank nicht ausstehen konnte: Ammoniak, faulendes Gemüse und feuchte Federn.
    Es war Samstag, und sie machte ihm Speck mit Spiegeleiern. Er konnte sie am Küchenfenster sehen. Morgens war sie immer schweigsam. Er wusste, es war die Kehrseite des Gins. Er war elf Jahre alt und wusste über den Kater nach Drogen und Alkohol Bescheid, obwohl er nie einen gehabt hatte. Aber betrunken war er schon gewesen. Eines Abends hatte er zwei Dosen Bier mit ins Bett genommen und sie getrunken, während er sich auf dem tragbaren Schwarz-Weiß-Fernseher im Zimmer seiner Mutter Dallas ansah. Er hatte seinen Schlafanzug von oben bis unten vollgekotzt.
    Beim Hühnerfüttern hatte er die Halskette seiner Mutter um – es war ihm egal, ob er damit wie ein Mädchen aussah. Er wollte die Halskette in Sicherheit wissen. Er wollte sie in Sicherheit wissen. Er fragte sich, was die Sozialarbeiterin am Abend zuvor Minnie berichtet hatte. Als Tricia ihm auf der Rückfahrt im Wagen erzählt hatte, dass sie nichts über seine Mutter und das Feuer wisse, hatte er das Gefühl gehabt, dass sie ihm etwas verschwieg.
    Daniel schob sich seitwärts zurück ins Haus, während der Ziegenbock Hector ihn tückisch beäugte. Das Ziegengesicht erinnerte Daniel an seine Sozialarbeiterin. Im Flur schlüpfte er aus seinen Gummistiefeln. Blitz lag direkt vor der Tür. Er hob den Kopf, als Daniel hereinkam, rührte sich aber nicht von der Stelle, sodass Daniel über ihn hinwegsteigen musste. In der Küche roch es nach Fett, Schweinefleisch und Zwiebeln.
    Minnie trug das Essen auf. Die Würste waren so glitschig, dass sie über den Tellerrand rutschten. Er griff zu seiner Gabel und pikte in die Pelle. Das mochte er am liebsten: in die Pelle zu piken und zu sehen, wie der Saft herausquoll.
    »Geht es dir besser heute Morgen?«, fragte sie.
    Er zuckte mit den Schultern, den Blick auf sein Essen gerichtet.
    »Wie geht’s deiner Nase? Hast du gut geschlafen?«
    Er nickte.
    »Ich muss mit dir reden.«
    Er blickte in ihr Gesicht; seine Gabel auf dem Teller hielt inne. Ihre Augen waren ein wenig weiter geöffnet als üblich. Daniel fühlte, wie sein Appetit schwand, fühlte das Öl aus den Würsten fettig in seinem Hals.
    »Manchmal, wenn dir üble Dinge zustoßen, erscheint es dir wahrscheinlich leichter, einfach wegzulaufen, aber ich möchte, dass du versuchst, nicht wegzulaufen, sondern den Dingen, die du nicht magst, ins Gesicht zu sehen. Es scheint schwerer zu sein, aber auf lange Sicht fährst du besser damit. Glaub mir.«
    »Ich bin nicht weggelaufen.«
    »Was war’s denn dann?«
    »Ich wollte meine Mum besuchen.«
    Minnie seufzte und schob ihren Teller weg. Er sah, dass sie sich auf die Unterlippe biss, sich dann nach vorn beugte und nach seiner Hand langte. Er zog sich langsam von ihr zurück, aber sie blieb so sitzen, mit der über den Tisch nach ihm ausgestreckten Hand.
    »Wir werden rausfinden, was mit deiner Mum passiert ist. Du musst wissen, dass ich deswegen jeden Tag telefoniere. Ich verspreche dir, ich finde es für dich raus …«
    »Es wird ihr schon gut gehen. Es geht ihr immer

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