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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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grauen Locken. Seine Haut erinnerte sich an die Rauheit ihrer Hände. Das war es, was die nervöse Spannung in seinen Körper und die Röte auf seine Wangen brachte. Er würde nicht weinen, das verdiente sie nicht, aber ein winziger Teil von ihm gab nach und verlangte, um sie zu trauern.
    Auf dem Parkplatz war die Sonne herausgekommen. Als Daniel zu seinem Wagen ging, zog er sein Jackett aus. Er fühlte sich plötzlich erschöpft, nicht mehr in Form für die siebenstün dige Fahrt zurück nach London. Er spürte eine Hand auf seinem Arm und drehte sich um. Es war eine alte Frau mit einem verhärmten, eingefallenen Gesicht. Daniel brauchte einen Moment, aber dann erkannte er sie als Minnies Schwester Harriet wieder.
    »Weißt du, wer ich bin?«, fragte sie und zog ihren Mund nach unten, wodurch sich ihr ganzes Gesicht verzerrte.
    »Natürlich. Wie geht es dir?«
    »Wer bin ich denn? Sag meinen Namen, wer bin ich?«
    Daniel holte Luft, dann sagte er: »Du bist Harriet, Tante Harriet.«
    »Hast es hier raufgeschafft, was? Die verdammte Zeit gefunden, jetzt wo sie tot ist.«
    »Ich … ich habe nicht …«
    »Ich hoffe, du schämst dich, mein Junge. Ich hoffe, das ist der Grund, warum du hier bist. Gott verzeihe dir.«
    Harriet ging quer über den Parkplatz davon, indem sie sich mit ihrem Stock den Weg freistach. Daniel drehte sich zu seinem Wagen um und lehnte sich auf das Dach. Von dem Laub und der Trauerfeier und dem stillen, weiten Land schwirrte ihm der Kopf. Er atmete aus und wischte sich die Feuchtigkeit von den Fingerspitzen. Er hörte, dass Cunningham ihn rief, und drehte sich um.
    »Danny – wir hatten noch keine Gelegenheit. Hätten Sie Zeit für ein Mittagessen oder eine Tasse Tee?«
    Am liebsten hätte er Cunningham abgewiesen, er sei schon unterwegs, aber im Moment hatte er keinen anderen Wunsch, als sich hinzulegen, und so willigte er ein.
    In dem Café senkte Daniel den Kopf und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Cunningham hatte eine Kanne Tee für sie beide und einen Teller Suppe für sich selbst bestellt. Daniel aß nichts.
    »Es muss schwer für Sie sein«, sagte Cunningham und verschränkte die Arme.
    Daniel räusperte sich und schaute weg, verlegen über seine verworrenen Gefühle für Minnie und gedemütigt von Harriets barschen Worten. Er war sich nicht sicher, warum er so emotional reagierte. Er hatte sich von Minnie schon vor langer Zeit verabschiedet.
    »Sie war ein Schatz. Ein richtiger Schatz. Sie hat so viele Menschen bewegt.«
    »Sie war ein zähes altes Luder«, sagte Daniel. »Ich glaube, sie hat sich genauso viele Feinde gemacht wie Freunde …«
    »Wir mussten’s in der Kapelle machen, aber sie wollte ausdrücklich eine nichtkirchliche Trauerfeier und hat verlangt, verbrannt zu werden. Verbrannt, ja, ist das denn zu glauben?«
    »Sie hatte Gott abgeschrieben«, sagte Daniel.
    »Ich weiß, sie ist viele Jahre nicht mehr in die Kirche gegangen. Ich habe selber nicht die Zeit dazu, um die Wahrheit zu sagen, aber ich habe gedacht, dass ihr der Glaube noch wichtig wäre.«
    »Sie hat mir mal gesagt, auf die Rituale und die Wunder wäre am schwersten zu verzichten – sie legte keinen großen Wert darauf, aber sie konnte sie nicht lassen. Einmal hat sie zu mir gesagt, das Christentum sei auch nur eine ihrer schlechten Angewohnheiten. Wenn man sie kannte, betete sie einen Rosenkranz, wenn sie betrunken war. Schlechte Angewohnheiten vertragen sich miteinander … Ihre Rede war gut. Sie war richtig. Minnie war eine Rebellin.«
    »Ich finde, sie hätte nach Cork zurückgehen sollen, als Norman gestorben war. Ihre Schwester hat das gesagt, haben Sie mit ihr gesprochen? Sie war die am Ende der Reihe.«
    »Ich kenne ihre Schwester. Sie hat uns immer besucht. Ich habe ein paar Worte mit ihr gewechselt.« Wieder schaute Daniel weg, aber Cunningham bemerkte es nicht und redete weiter.
    »Sie war eine Frau, die ihrer Zeit voraus war, das war sie. Minnie hätte in einer Großstadt leben müssen, in irgendwas Kosmopolitischem …«
    »Nö, sie liebte das Land. Dafür hat sie gelebt.«
    »Aber ihre Ideen waren allesamt Großstadtideen, da wär sie besser dran gewesen.«
    »Vielleicht. Es war ihre Entscheidung. Wie Sie gesagt haben, sie liebte ihre Tiere.«
    Cunninghams Suppe kam, und ein paar Augenblicke lang war er mit seiner Serviette und dem Butterbrötchen beschäftigt. Daniel trank seinen Tee und wartete, immer noch im Ungewissen, worüber Cunningham wohl so dringend reden musste. Er schwieg

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