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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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spürte er einen Schmerz unterhalb seiner Rippen. Es war wie ein mächtiger Hunger – ein Verlangen –, erneut zu fühlen, wie sie ihm die Haare aus dem Gesicht strich.
    »Worüber denkst du nach?«, fragte Minnie.
    Daniel nahm die Plastiktasse, die sie ihm reichte, in beide Hände, sodass er sich an ihr wärmen konnte. Er zuckte die Achseln und trank einen Schluck von dem süßen Tee.
    »Du warst meilenweit weg!« Minnie streckte eine Hand nach ihm aus, und Daniel drehte sich weg. Wieder schien sie zu wissen, was er benötigte. Aber es war nicht dasselbe, und das konnte es auch nie sein.
    Eine schmallippige Frau trat an ihren Stand. Daniel erkannte in ihr Mrs. Wilkes aus dem Bonbonladen. Sie war die Mutter seines Freundes Derek. Daniel wusste, dass sie für Minnies sterbenden Mann einen Krankenwagen gerufen hatte. Sie hatte auch zwei seiner Klassenkameraden dem Schulleiter gemeldet, weil sie Riesenlutscher geklaut hatten.
    Sie nagte an ihren Lippen, während sie Minnies Marmelade betrachtete, und kniff die Augen zusammen, als ihr Daniels Blick begegnete. Er steckte seine Hände in die Taschen seines Parkas.
    »Was kostet die Marmelade?«, fragte sie mit nach unten gezogenen Mundwinkeln.
    »Zwei Pfund fünfzig«, sagte Daniel und setzte sein schönstes Lächeln auf, allerdings hatte Minnie den Preis für die Marmelade mit einem Pfund fünfzig angesetzt.
    »Das ist ja eine Schande«, sagte Mrs. Wilkes und knallte die Marmelade mit solcher Wucht auf den Tisch, dass die Eier ins Wackeln kamen.
    Minnie drehte sich auf das Geräusch hin um und zog die Stirn kraus. Sie hatte ein halb aufgegessenes Thunfisch-Sandwich in der Hand.
    »Qualität hat ihren Preis, Mrs. Wilkes, das sollten Sie doch wissen«, sagte Daniel und nahm eine Hand aus der Tasche, um das Marmeladentöpfchen wieder gerade hinzustellen.
    »Scheint so.« Daniel merkte, dass Mrs. Wilkes inzwischen das Interesse an ihm verloren hatte und sich an Minnie wandte. Minnie hatte den Mund voll, und der Wind wehte ihr ihre Haare ins Gesicht, aber sie drehte sich um, der Blick voll ausgelassener Fröhlichkeit und mit Krümeln auf dem Kinn.
    »Alles in Ordnung, Jean?«
    »Ich stutze gerade über den Preis hier. Das ist ja der reine Wucher.« Mrs. Wilkes stupste leicht gegen ein Marmeladen töpfchen, womit sie Daniels Auslage erneut in Unordnung brachte.
    »Dann nimm dir doch eines«, sagte Minnie.
    Jean Wilkes’ Mundwinkel zogen sich erneut nach unten.
    »Was meinst du damit?«
    »Ich meine damit, nimm dir eines als Geschenk von mir. Es ist gute Marmelade. Nimm’s und genieße es.«
    Daniel drehte sich um und blickte zu Minnie auf, aber sie aß ihr Thunfisch-Sandwich zu Ende, den Blick auf Jean gerichtet.
    »Das kann ich unmöglich annehmen. Ich zahl dir, was es wert ist, aber keinen Penny mehr.«
    »Quatsch, nimm es. Genieße es. Danke, Jean.«
    Minnie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Thermosflaschen und dem Picknick zu, das sie im Kofferraum ihres Renaults aufgebaut hatte. Sie griff zu einem weiteren Sandwich.
    »Du bist ja lächerlich, Minnie«, sagte Jean und stopfte drei Pfundnoten in den Eiscremebecher mit dem Geld, den Daniel hütete. »Erst verlangst du eine Unsumme, und dann schenkst du’s weg. Es ist wie mit diesen Kindern. Jeder weiß, dass du’s nur tust, damit du dich besser fühlst. Kannst nicht für dich selber sorgen, und dann bist du plötzlich die Mutter der ganzen Welt … Aber du hast recht, deine Marmelade ist gut.« Jean hielt das Töpfchen in ihrer Hand. Ihr verkniffener Mund war wie zu einem Lächeln nach innen gedrückt.
    »Was hast du gesagt?«
    Auf Minnies Flüstern hin drehte sich Daniel um. Ihm sträubten sich die Nackenhaare.
    »Ich sagte, trotz allem sind wir einer Meinung, deine Marmelade ist gut.«
    Daniel sah, dass Jean Wilkes’ Zähne braun waren, und er überlegte, ob all die Süßigkeiten sie ruiniert hatten.
    »Nein, davor …« Minnie flüsterte noch immer, aber inzwischen hatte sie ihren Bauch gegen den Marktstand gedrückt und beugte sich zu Mrs. Wilkes vor. Sie stützte sich schwer auf den Tisch, und Daniel bemerkte die weißen Male, die sich von der Anspannung auf ihren rosa Händen bildeten. »Kann nicht für mich selber sorgen? Ist es das, was du gesagt hast?«
    Jean Wilkes ging davon.
    Minnie richtete sich wieder auf und schob sich die Haare aus dem Gesicht. Daniel sah, dass ihre Finger zitterten. Sie öffnete einen Karton Eier und fuhr mit ihren roten, rauen Fingern hinein.
    Swott.
    Daniel stand immer noch mit

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