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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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zuckten im Traum. Daniel beobachtete die Bewegung von Minnies Hüften, als sie den Porridge umrührte, die Lichtpailletten, die die alten Fenster über die Löffel ausgossen. Er kannte den Song, der im Radio lief, und klopfte mit dem Fuß dessen Rhythmus mit. Im Raum war es warm mit dem Geruch des Morgens, und Daniel behielt ihn im Mund, als wolle er ihn schmecken. Das hier war sein Zuhause, dies würde sein Zuhause werden.
    Er sah zu, wie sie über dem Porridgetopf gähnte, eine Hand im Kreuz. Ab heute würde sie seine Mum sein, und sie würden in diesem Haus für immer zusammenleben. Daniel konnte es fast nicht glauben.
    »Warum isst du denn nicht deinen Porridge?«, sagte sie zu ihm und kratzte ihre Schüssel sauber.
    »Ich esse ja, guck.« Er nahm einen Löffel voll in den Mund.
    »Du bist sonst immer als Erster fertig. Was ist denn? Lampenfieber?«
    »Bisschen, hmm«, sagte er und legte den Löffel hin.
    »Du solltest nicht nervös sein. Es ist interessant.« Sie griff über den Tisch und zupfte sanft an seinem Ärmel. »Du willst es doch, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Du weißt, es ist deine Entscheidung.«
    »Ich will es, ja.«
    »Ich auch. Heute werde ich deine Mum, nicht bloß deine Pflegemum, sondern … deine richtige Mum.«
    Daniel sah, wie sich ihre Augen füllten und ihre Wangen rosig färbten. Sie schenkte ihm ein breites Lächeln, und erst dies war es, das Heben ihrer Wangenknochen und das Zusammenkneifen ihrer Augen, was die Tränen rinnen ließ, augenblicklich, dünn, eine über jede Wange. Rasch, als wolle sie einen Krümel wegwischen, fuhr sie sich mit der Handfläche über die eine Wange und mit dem Handrücken über die andere. Die Tränen waren verschwunden, und nur das Lächeln blieb.
    Deine richtige Mum , erinnerte sich Daniel, als er am Fuß der Treppe darauf wartete, dass sie fertig wurde. Deine richtige Mum , entsann er sich, als er auf der Straße zwischen Brampton und Newcastle aus dem Busfenster sah. Sie nahmen den Bus dorthin und zurück, damit Minnie nicht im Stadtzentrum von Newcastle Auto fahren musste.
    Daniel hatte seine Schuluniform an, und Minnie trug Schuhe. Es waren keine richtigen Damenschuhe. Sie waren flach und braun und zum Schnüren, aber es waren keine Stiefel, und Daniel starrte auf den seltsamen Anblick ihrer Füße in den Schuhen. Nie hatte er sie ohne ihre Stiefel gesehen. Sie trug ihren grauen Rock, den grünen Mantel und ein schwarzes Oberteil darunter, das sauberer war als manche ihrer anderen.
    Minnie hatte um einen Tag schulfrei für Daniel gebeten – wegen einer Familienangelegenheit.
    Familie , dachte Daniel, während er aus dem Fenster sah und den Druck ihrer Hüfte gegen seinen Körper fühlte. Er war nicht sicher, ob er vorher eine Familie gehabt hatte oder was das bedeutete, aber er fuhr mit Freuden weiter, wenn es bedeutete, dass er bei ihr bleiben und auf der Farm sein konnte.
    Im Gericht wartete Tricia auf sie. Sie war glücklich und hibbelig, drehte sich von einer Seite zur anderen und fragte, ob er eine Dose aus dem Automaten haben wolle. Sie hatte Akten in der Hand und sagte zu ihnen, die Verhandlung würde nur kurz sein.
    »All die Zeit, Danny«, sagte Tricia. »Wann haben wir uns das erste Mal gesehen? Warst du fünf Jahre alt oder was?«
    »Weiß nicht.«
    »Du warst ungefähr so alt. Du warst vier oder fünf. All die Zeit, die wir uns schon kennen, und jetzt wirst du adoptiert. Ich bin so glücklich. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Tag erlebe.«
    Ihr Anwalt traf ein. Er war jung, trug einen schwarzen Anzug und hatte eine braune Aktentasche in der Hand. Er gab Minnie die Hand, dann bückte er sich, um auch Daniel die Hand zu drücken. Daniel blickte auf die offene Handfläche.
    »Gib dem Mann die Hand, Danny, wenn er sie dir entgegenstreckt«, sagte Minnie.
    Daniel streckte seine Hand aus und fühlte, wie sie von einer warmen, starken Hand erfasst wurde.
    »Ich bin dein Anwalt«, sagte der Mann, und Daniel lächelte ihn an.
    Einen Moment lang kam er sich stark vor in seiner sauberen Schuluniform, mit seinem eigenen Anwalt, während er darauf wartete, vor den Richter geführt und adoptiert zu werden. Ihm fiel wieder ein, was ihm Minnie über Rechtsanwälte erzählt hatte.
    Als es an der Zeit war, kamen sie im Richterzimmer zusammen. Daniel hatte sich vorgestellt, dass es in dem Raum Buntglasfenster wie in einer Kirche gäbe, aber es war nur ein Dienstzimmer mit einem großen Schreibtisch mit Lederbespannung und reihenweise Bücherregalen.
    In

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