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Der Schuß im Nachtklub

Der Schuß im Nachtklub

Titel: Der Schuß im Nachtklub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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ein dicker Teppich mit Blumenmuster. Um ihn standen ein Sofa und
vier Sessel, mit Chintz bezogen und so unbequem aussehend, daß an ihrer antiken
Echtheit kaum zu zweifeln war.
    Ich sah mich nach der Tochter
des Hauses um — und erwartete ein Wesen mit glatt zurückgebürstetem Haar, im
Nacken zu einem Knoten geschlungen. Sie würde das Gewand eines Milchmädchens aus
dem achtzehnten Jahrhundert tragen, hochgeschlossen und bis zu den Knöcheln
reichend, und leise in ein Spitzentaschentuch weinen. Sie würde ihre Tränen in
den Eimer eines Milchmädchens fallen lassen, einen Eimer aus Porzellan mit
einem Rosenmuster.
    »Miss Landis wird gleich
kommen, Sir«, erklärte der Diener und zog sich zurück, wie es sich für einen
guten Butler gehört, der nicht etwa ganz einfach nur hinausgeht.
    Ich ging ans Sofa und setzte
mich. Die Federn gaben auch nicht im geringsten nach. Ich fragte mich, ob die
zartgetönte Schale, die auf dem kleinen Tisch mit den gedrehten Säulen neben
dem Sofa stand, ein Aschenbecher oder ein altes Erbstück war. Das Gute an alten
Erbstücken ist ja, daß man sie so leicht für die verschiedensten Zwecke
verwenden kann. Ich zerdrückte also das Ende meiner Zigarette darin und zündete
mir eine neue an.
    Bevor sich die Tür öffnete,
ließ ich noch ein paar Zentimeter Asche in die Schale fallen, und dann trat
also das Milchmädchen ein. Ich sah sie mit einem Blick an und ließ meine
Zigarette auf den Teppich fallen.
    Bei ihrem Anblick würden die
Kühe keine Milch mehr geben; der Neid würde sie sauer machen.
    Sie war von durchschnittlicher
Größe, aber das war auch das einzige Durchschnittliche an ihr. Sie war eine
Brünette, deren glänzendes dichtes Haar locker zu einem Pferdeschwanz nach
hinten zusammengezogen war. Sie hatte das Gesicht einer Elfe — einer sehr
schönen Elfe. Ihre Lippen waren voll und von tiefem Rot und ein wenig gerundet,
so daß man sie nur als provozierend bezeichnen konnte.
    Sie trug ein chinesisches Kleid
aus dunkelgrauer Seide, das bei jedem ihrer Schritte schimmerte. Es hatte einen
hochgestellten Kragen und lag enger an als ein Handschuh und war bis zur Mitte
der Schenkel aufgeschlitzt, damit sie gehen konnte. Und bei jedem ihrer
Schritte sah man etwas von ihren gebräunten tadellosen Beinen.
    Ihre violetten Augen sahen
hinter den Linsen ihrer mit Steinen verzierten Brillenränder riesig aus. Ihre
Ohrringe bestanden aus zwei goldenen Drachen, bereit, Feuer und Flammen zu
speien.
    »Ich bin Rena Landis«, sagte
sie mit erregender, verhaltener Stimme.
    Ich hob meine Zigarette von dem
kostbaren Teppich auf und stand auf.
    »Ich bin Lieutenant Wheeler
vom...«
    »Ich weiß«, erwiderte sie,
»Talbot hat es mir schon gesagt.«
    »Der Butler?«
    »Ja, das sollte er eigentlich
sein«, antwortete sie. »Tatsächlich ist er ein faszinierendes Musterbeispiel
für Verdrängungen. Ich bin überzeugt, daß er eine Frau schlagen würde, wenn er
eine hätte.«
    »Ich glaube, es würde eher
umgekehrt sein«, sagte ich. »Für das, was eine Frau ertragen kann, gibt es
schließlich Grenzen.«
    »Wie heißen Sie mit Vornamen?«
    Ich blinzelte. »Al«, sagte ich
ein wenig heiser.
    »Nennen Sie mich Rena«, sagte
sie. »Ich finde, es ist für Menschen unmöglich, sich näher kennenlernen zu können,
wenn sie ständig so förmlich bleiben. Sind Sie nicht auch der Ansicht, Al?«
    Sie setzte sich neben mich auf
das Sofa. Der Schlitz in ihrem Kleid weitete sich, und sie hätte ebensogut Shorts tragen können. Es war beklemmend. »Sie
wollten mit mir über John reden«, sagte sie. »Vater hat es mir heute früh
erzählt. Wußten Sie, daß er Marihuana rauchte?«
    »In seiner Tasche waren
Marihuana-Zigaretten«, sagte ich schwächlich.
    »Ich hab’s auch versucht«,
erklärte sie ernsthaft. »Aber ich habe es aufgegeben.«
    »Das freut mich zu hören«,
sagte ich.
    »Kindisch«, erklärte sie. »Aber
John war kindisch. Außerdem ist Marihuana ja nur der Anfang. Nach einer Weile
geht man auf Heroin über oder raucht Opium, und bevor man weiß wie, ist man
auch schon Sklave einer Gewohnheit. Und ich halte nichts von Gewohnheiten, was
meinen Sie, Al? Ich fühle mich gern frei von allen Konventionen und kann daher
tun, was mir gefällt. Tun Sie nicht auch gern das, was Ihnen gefällt, Al? Sie
sehen mir für einen Polizeileutnant eigentlich ziemlich jung aus. Ich habe mir
eingebildet, die wären alle ausgetrocknet und überhaupt nicht gefühlsbewegend,
Al. Finden Sie mich gefühlsbewegend,

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