Der Schuß im Nachtklub
der Abstand auf zwei Querstraßen verringert. Diesen Abstand hielt ich. Ich
wollte nicht, daß sie etwas merkte, denn sonst fuhr sie vielleicht nicht
dorthin, wohin sie eigentlich fahren wollte.
Und es machte mir Spaß. Es war
so lange her, daß ich in dieser Weise Räuber und Gendarm gespielt hatte.
Sie fuhr die ganze Zeit über in
nördlicher Richtung. Wir gelangten an die Stadtgrenze, und sie sauste acht
Kilometer auf der Schnellstraße dahin, bevor sie bei der Abzweigung von Hillstone abbog. Ich hielt mich noch immer ein gutes Stück
hinter ihr, gerade so nah, um den Cadillac nicht aus den Augen zu verlieren.
Ich hielt das für ziemlich sicher. Für Rena waren Rückspiegel bestimmt nicht
mehr als eine Chromverzierung.
Schließlich bremste sie mit Reifengequietsche , bog scharf nach links in eine
beachtliche Auffahrt ein und hielt. Ich fuhr vorbei und sah mir das Ganze mit
einem raschen Blick an.
Eine fast drei Meter hohe
Ziegelmauer schloß das Grundstück ein. Die Anfahrt selber war durch ein
eisernes Tor versperrt, das ein Stück von der Straße zurücklag. Rena hatte
draußen angehalten und sprach mit einem Mann in schwarzer Uniform und mit einer
Schirmmütze. Ich konnte mich nicht erinnern, daß das Hillstone -Gefängnis
so groß war.
Ich parkte den Healey nach der
nächsten Kurve, wo er nicht mehr zu sehen war, und ging das Stück zu Fuß
zurück. Es gab keinen Gehsteig, rechts und links der Straße lag ein von Bäumen
und Büschen dichtbestandenes Gelände.
Ich lehnte mich an einen Baum,
zündete mir eine Zigarette an und wartete. Es dauerte zwanzig Minuten, bevor
der Cadillac wieder auf der Straße erschien. Er fuhr in Richtung auf die
Schnellstraße davon, und das Summen des Motors lag noch einige Sekunden in der
Luft, nachdem der Wagen verschwunden war.
Ich warf meinen
Zigarettenstummel weg und begab mich zum Eingang.
An der Mauer neben dem Tor
befand sich eine blanke Messingtafel: Hillstone -Sanatorium.
Der Portier in Schwarz sah mich
fragend an, als ich mich ihm näherte. Ich zeigte ihm mein Abzeichen.
»Was wollte die junge Dame im
Cadillac, die gerade weggefahren ist?«
»Sie hat Doktor Maybury aufgesucht«, antwortete er. »Mehr weiß ich nicht.«
»Dann möchte ich mit Doktor Maybury reden.«
Er nickte. »Er ist der Chef.
Ich werde Sie gleich anmelden, Lieutenant.«
»Gut«, sagte ich. »Kann man
sich hier drin irgendwas holen?«
»Bitte?« Er sah mich
verständnislos an.
»Es ist doch ein Sanatorium,
nicht wahr. Was habt ihr denn hier für Krankheiten, auf die ich lieber
verzichten möchte?«
»Nichts Ansteckendes.« Er
grinste, deutete mit einem Finger auf seine Stirn und drehte ihn sachte.
»Ein Sanatorium für Bekloppte«,
sagte ich.
»Das zu sagen, wäre ein bißchen
hart, Lieutenant.« Sein Grinsen wurde breiter. »Mit dem Geld, das einer
braucht, um hier aufgenommen zu werden, ist einer nicht bekloppt, Lieutenant.
Da ist er nur labil. Verstehen Sie mich?«
»Wo finde ich Maybury ?«
»Gehen Sie nur die Auffahrt
entlang weiter, Lieutenant«, antwortete er. »Gleich hinter dem Hauptportal
sitzt eine Empfangsschwester. Ich rufe sie gleich an und sage, daß Sie kommen.«
Ich machte ein paar Schritte
und zögerte einen Augenblick. »Treffe ich möglicherweise eines der
Klubmitglieder unterwegs?«
»Sollte es der Fall sein, so
sind sie harmlos«, antwortete er. »Darauf wird hier schon geachtet.«
»Ich wollte nur sichergehen«,
sagte ich und begann wieder, auf das Haus zuzugehen.
Das Gebäude war groß und
weitgestreckt. Zwei Stockwerke weiß getünchten Mauerwerks. Das Ganze hätte auch
ein Rathaus sein können, aber dort sind die Fenster größer und bis jetzt auch
noch nicht vergittert.
Ich kam auf die mit Platten
ausgelegte Terrasse und ging die neun Stufen zu den weit offenen kupferfarbenen
Türen hinauf. Drinnen schlug mir der ein wenig abstoßende Geruch nach
Sauberkeit entgegen, der allen Krankenhäusern eigen ist. Ich entdeckte auch den
Tisch aus Rosenholz und dahinter eine Rothaarige in weißer Tracht.
Sie öffnete den Mund, um etwas
zu sagen, aber ihre Worte verloren sich in einem lang anhaltenden Schrei von
oben. Es war ein lang hingezogener Schrei, der an meinen Nerven zerrte, weil
dieser Schrei so klang, als schrie jemand aus einem anderen Grund als aus dem
Verlangen, zu schreien. Man hörte Getrappel von Füßen, eine Tür fiel zu, und
dann war es wieder still.
»Werde ich hier Mitglied«,
fragte ich die Schwester, »wenn ich auch schreie?«
»Sie sind
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