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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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müssen. Aus ihren Nasen rann Blut. Einer von ihnen lag auf der Seite, strampelte mit den Beinen und krallte nach seiner Kehle; der andere war fetal zusammengerollt und zerkratzte sich mit zu Klauen verkrümmten Fingern das Gesicht. Drei weitere Männer in Laborkitteln – Stefan kannte ihre Namen: Höppner, Eicke und Schmauser – waren in der Nähe des Programmierpults zusammengebrochen. Auch sie krallten wie tollwütig in ihre Hälse. Alle fünf versuchten zu schreien, aber ihre Kehlen waren augenblicklich zugeschwollen; sie brachten nur schwache, gräßlich mitleiderregende Laute ähnlich dem Wimmern gequälter kleiner Tiere heraus.
    Stefan stand körperlich unversehrt, aber zutiefst entsetzt und erschrocken unter ihnen, bis sie nach einer Dreiviertelminute endlich tot waren.
    Der Einsatz von Vexxon gegen diese Männer war ein Akt grausamer ausgleichender Gerechtigkeit, denn das Forschungsvorhaben, das im Jahre 1936 zur synthetischen Herstellung des ersten Nervengases – eines als Tabun bezeichneten organischen Phosphoresters – geführt hatte, war von den Nazis finanziert worden. Praktisch alle später entwickelten Kampfstoffe, auch Vexxon, deren tödliche Wirkung auf der Störung der Übertragung elektrischer Nervenimpulse beruhte, basierten auf dieser chemischen Verbindung. Diese Männer waren im Jahre 1944 von einer futuristischen Waffe getötet worden, die im Grunde genommen aus ihrer eigenen grausamen, unmenschlichen Gesellschaft hervorgegangen war.
    Trotzdem empfand Stefan beim Anblick der fünf Leichen keine innere Befriedigung. Er war in seinem Leben Augenzeuge so vieler Tode geworden, daß selbst die Liquidierung Schuldiger zum Schütze Unschuldiger, selbst Morde im Dienste der Gerechtigkeit ihn anwiderten. Aber nun konnte er tun, was er zu tun hatte.
    Er legte seine Pistole auf einen der Arbeitstische. Dann ließ er die Uzi von seiner Schulter gleiten und legte sie daneben.
    Aus einer Tasche seiner Jeans zog er ein Stück Draht, das er um das Ventil des Vexxon-Zylinders wickelte, um es offenzuhalten. Er trat in den Erdgeschoßflügel hinaus und stellte den Behälter mitten in diesen Korridor. Durch Treppenhäuser, Aufzugschächte und Lüftungsrohre würde das Gas sich in wenigen Minuten durch das ganze Gebäude ausbreiten.
    Zu seiner Überraschung sah er, daß auf dem Korridor nur die Nachtbeleuchtung brannte und die übrigen Labors im Erdgeschoß menschenleer zu sein schienen. Während das Gas weiter ausströmte, trat er ans Programmierpult im Hauptlabor, um festzustellen, wann Kokoschkas Gürtel ihn zurückgebracht hatte. Es war 21.11 Uhr am 16. März 1944.
    Ein ungewöhnlich glücklicher Zufall. Stefan hatte damit gerechnet, zu einem Zeitpunkt ins Institut zurückzukommen, an dem die meisten Wissenschaftler – von denen einige schon um 6 Uhr zur Arbeit kamen, andere oft bis 20 Uhr blieben – anwesend sein würden. Das hätte bedeutet, daß in dem dreistöckigen Gebäude bis zu 100 Menschen getötet worden wären, bei deren Auffindung man ohne jeden Zweifel gewußt hätte, daß nur Stefan Krieger, der mit Kokoschkas Gürtel aus der Zukunft zurückgekehrt war, für ihren Tod verantwortlich sein könnte, und nicht bloß zurückgekommen war, um möglichst viele Institutsangestellte zu ermorden, sondern etwas anderes im Schilde führte. Man hätte eine großangelegte Aktion gestartet, um seine Pläne aufzudecken und den angerichteten Schaden wiedergutzumachen. Wenn aber das Gebäude tatsächlich fast leer war, konnte er die wenigen Leichen vielleicht auf eine Art und Weise beseitigen, die seine Anwesenheit nicht verriet und allen Verdacht auf diese Toten lenkte.
    Nach fünf Minuten war der Vexxon-Behälter leer. Das Gas hatte sich im gesamten Institut ausgebreitet – mit Ausnahme der Wachräume an den beiden Eingängen, in die nicht einmal Lüftungsschächte aus dem Hauptgebäude führten. Auf der Suche nach weitern Opfern ging Stefan von Raum zu Raum und von Stockwerk zu Stockwerk. Die einzigen weiteren Toten, die er entdeckte, waren die Versuchstiere im Keller – die ersten Zeitreisenden –, und ihr mitleiderregender Anblick berührte ihn ebenso oder noch mehr wie die Leichen der fünf Gastoten.
    Stefan kehrte ins Hauptlabor zurück, holte aus einem weiß-lackierten Schrank fünf der Spezialgürtel und schnallte sie den Toten über der Kleidung um. Er programmierte die Zeitmaschine rasch darauf, die Leichen etwa sechs Milliardenjahre weit in die Zukunft zu befördern. Er hatte irgendwo gelesen,

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