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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Mesa kommen sollte.
    Sie bedauerte jedoch die Trennung von den Ackerson-Zwillingen. Obwohl sie die Schwestern erst seit wenigen Wochen kannte, hatte die unter extremen Verhältnissen geschlossene Freundschaft sich rascher und haltbarer gefestigt, als das unter normalen Umständen der Fall gewesen wäre.
    Als die drei an diesem Abend in ihrem Zimmer auf dem Boden hockten, sagte Thelma: »Shane, solltest du zu einer guten Familie, in ein glückliches Heim kommen, genießt du’s hoffentlich. Solltest du’s gut treffen, vergißt du uns am besten, suchst dir neue Freunde und lebst dein Leben weiter. Aber das legendäre Ackerson-Duo – Ruth et moi – hat schon dreimal schlechte Erfahrungen mit Pflegeeltern gemacht, und ich kann dir versichern, daß du nicht bleiben mußt, falls du zu schrecklichen Leuten kommen solltest.«
    »Du weinst einfach viel und läßt alle merken, wie unglücklich du bist«, sagte Ruth. »Solltest du nicht weinen können, tust du wenigstens so.«
    »Sei mürrisch«, ergänzte Thelma. »Und ungeschickt. Sorg dafür, daß bei jedem Abspülen irgendein Geschirrstück in Brüche geht. Sei einfach unausstehlich.«
    Laura war überrascht. »Das alles habt ihr getan, um ins McIllroy zurückzukommen?«
    »Das alles und mehr«, bestätigte Ruth.
    »Aber ist’s nicht schrecklich gewesen, absichtlich Sachen kaputtzumachen?«
    »Für Ruth ist’s schlimmer gewesen als für mich«, antwortete Thelma. »Ich habe den Teufel im Leib, während Ruth die Reinkarnation einer unscheinbaren, demütigen kleinen Nonne aus dem vierzehnten Jahrhundert ist, deren Name wir noch nicht haben ermitteln können.«
    Innerhalb eines Tages wußte Laura, daß sie nicht bei der Familie Teagel bleiben wollte, aber sie versuchte sich einzugewöhnen, weil sie anfangs noch glaubte, dort besser aufgehoben zu sein als im McIllroy Home.
    Für Flora Teagel, die sich nur für Kreuzworträtsel interessierte, war das reale Leben lediglich ein verschwommener Hintergrund ihrer Existenz. Sie verbrachte die Tage und Abende in eine Strickjacke gewickelt, die sie bei jedem Wetter trug, in ihrer gelben Küche am Tisch und arbeitete mit einem Eifer, der zugleich verblüffend und idiotisch war, ein Kreuzworträtselheft nach dem anderen durch.
    Mit Laura sprach sie im allgemeinen nur, um ihr Anweisungen für die Hausarbeit zu geben oder sie nach schwierigen Lösungswörtern zu fragen. Während Laura am Ausguß stand und Geschirr spülte, fragte Flora beispielsweise: »Eine Raubkatze mit sechs Buchstaben und ‘nem O am Anfang?«
    Lauras Antwort war stets die gleiche: »Weiß ich nicht.«
    »Weiß ich nicht, weiß ich nicht, weiß ich nicht«, äffte Mrs. Teagel sie nach. »Du weißt anscheinend gar nichts, Mädchen. Paßt du denn in der Schule nicht auf? Hast du keinen Sinn für Sprache, für Wörter?«
    Laura war natürlich von Wörtern fasziniert . Für sie besaßen Wörter magische Eigenschaften und ließen sich mit anderen zu hochwirksamen Zaubersprüchen kombinieren. Für Flora Teagel waren Wörter lediglich Mosaiksteine, die sie zum Ausfüllen von leeren Kästchen brauchte: sinnentleerte Buchstabenanhäufungen, die sie frustrierten.
    Floras Ehemann war ein stämmiger Lastwagenfahrer mit Babygesicht. Er verbrachte die Abende in seinem Sessel, studierte den »National Enquirer« und ähnliche Blätter und nahm aus dubiosen Artikeln über Kontakte mit außerirdischen Lebewesen und über Schwarze Messen in Filmstarkreisen wertlose Tatsachen in sich auf. Seine Vorliebe für »exotische Nachrichten«, wie er sie nannte, wäre harmlos gewesen, wenn er so mit sich selbst beschäftigt gewesen wäre wie seine Frau. Aber Mike kam oft zu Laura, wenn sie im Haushalt arbeitete oder ausnahmsweise einmal Zeit hatte, ihre Hausaufgaben zu machen, und bestand darauf, ihr besonders kuriose Artikel vorzulesen.
    Sie hielt diese Storys für dumm, unlogisch und sinnlos – aber das durfte sie Mike nicht sagen. Sie hatte die Erfahrung gemacht, daß er nicht beleidigt war, wenn sie seine Zeitungen als Schund bezeichnete. Statt dessen betrachtete er sie mitleidig und begann dann, ihr aufreizend geduldig und mit der auf den Nerv gehenden Besserwisserei, die nur sehr Gebildete und völlig Ungebildete an den Tag legen, den Lauf der Welt zu erklären. Ausführlichst. »Laura, du mußt noch viel lernen«, sagte er jedesmal. »Die wichtigen Leute, die in Washington an der Regierung sind – die wissen über außerirdische Lebewesen und die Geheimnisse von Atlantis Bescheid

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