Der Schutzengel
er nicht eigens zu überprüfen. Er verließ den Dachboden und kehrte in sein Büro zurück.
Offensichtlich wußte niemand von seinem Plan, das Institut zu zerstören, oder von seinen Versuchen, eine Serie von Tragödien in Lauras Leben zu verhindern. Niemand außer Kokoschka. Verdammt noch mal, Kokoschka mußte davon gewußt haben, sonst wäre er nicht mit einer Uzi auf der kalifornischen Bergstraße aufgetaucht.
Weshalb hatte Kokoschka sein Wissen für sich behalten?
Als Beamter der Geheimen Staatspolizei war Kokoschka ein Fanatiker, ein blind gehorsamer Staatsdiener. Und er war persönlich für die Sicherheit des Projekts »Blitzstraße« verantwortlich. Hätte er im Institut einen Verräter vermutet, würde er keinen Augenblick gezögert haben, sofort starke Polizeikräfte zusammenzuziehen, das Gebäude zu umstellen, die Ausgänge bewachen zu lassen und jedermann scharf zu verhören.
Jedenfalls hätte er nicht zugelassen, daß Stefan Laura auf der Bergstraße zu Hilfe kam und danach mit der Absicht folgte, alle im Institut zu töten. Ihm wäre es vor allem darum gegangen, Stefan an der Ausführung seiner Pläne zu hindern und ihn zu vernehmen, um herauszubekommen, ob er etwa im Institut Mitverschwörer hatte.
Kokoschka wußte, daß Stefan die vorausbestimmten Ereignisse im Leben dieser Frau schon mehrmals massiv beeinflußt hatte. Und er hatte die Sprengladungen im Institut entdeckt oder nicht entdeckt – vermutlich nicht, denn sonst hätte er zumindest die Zündleitungen unterbrochen. Und aus nur ihm bekannten Gründen hatte er an diesem Morgen in privater Initiative und nicht offiziell als Polizeibeamter gehandelt. Auch konnte Stefan sich beim besten Willen nicht denken, was Kokoschka dazu bewogen haben sollte, ihm durchs Tor zu diesem Winternachmittag im Januar 1988 zu folgen.
Das war unbegreiflich. Trotzdem mußte es geschehen sein.
Was hatte Kokoschka vorgehabt?
Wahrscheinlich würde er’s nie erfahren.
Jetzt lag Kokoschka im Jahre 1988 tot auf einer kalifornischen Straße, und im Institut würde bald jemand sein Fehlen bemerken.
Unter Penlowskis und Januskys Leitung sollte Stefan an diesem Nachmittag um 14 Uhr eine offizielle Zeitreise unternehmen. Er hatte die Absicht gehabt, das Institut um 13 Uhr – eine Stunde vor Reisebeginn – in die Luft zu jagen. Jetzt, um 11.43 Uhr, kam er zu dem Schluß, rascher als ursprünglich beabsichtigt handeln zu müssen, bevor wegen Kokoschkas Verschwinden Alarm geschlagen wurde.
Er trat an einen der Karteikästen aus Stahlblech, zog die leere untere Schublade auf, hängte sie aus und nahm sie ganz heraus. Hinter ihrer Rückwand war mit Draht eine 9-mm-Pistole befestigt: ein Colt Commander Parabellum mit neunschüssigem Magazin, die er sich auf einer seiner heimlichen Zeitreisen beschafft und ins Institut geschmuggelt hatte. Hinter einer weiteren Schublade holte er zwei hochwirksame Schalldämpfer und vier Reservemagazine hervor. In fliegender Hast, weil jeden Augenblick irgendein Kollege, ohne anzuklopfen, hereinkommen konnte, schraubte er an seinem Schreibtisch einen der Schalldämpfer auf den Lauf der Pistole, entsicherte die Waffe und verteilte den zweiten Schalldämpfer und die Magazine auf die Taschen seines Laborkittels.
Wenn er das Institut zum letzten Mal durch das Tor verließ, durfte er sich nicht darauf verlassen, daß Penlowski, Janusky und weitere Wissenschaftler bei der Sprengung des Instituts bestimmt den Tod finden würden. Die Detonation würde das Gebäude zum Einsturz bringen, zweifellos die meisten Akten vernichten und alle Maschinen zerstören – aber was war, wenn einer der wichtigsten Forscher überlebte? Penlowski oder Janusky konnten das Tor aus dem Gedächtnis rekonstruieren, deshalb wollte Stefan sie und einen weiteren Mann – einen gewissen Wolkow – erschießen, bevor er den Zeitschalter einstellte und das Tor betrat, um zu Laura zurückzukehren.
Mit angeschraubtem Schalldämpfer war die Commander zu lang, um ganz in die Tasche seines Laborkittels zu passen, deshalb kehrte er sie nach draußen und stieß ein Loch in die untere Naht. Mit dem Zeigefinger am Abzug steckte er die Pistole in die jetzt bodenlose Tasche und hielt sie dort fest, während er die Tür seines Büros öffnete und auf den Korridor hinaustrat.
Sein Herz schlug wie rasend. Was jetzt folgte, war der gefährlichste Teil seines Planes, weil so vieles schiefgehen konnte, bevor er die drei Männer erledigt hatte und in sein Büro zurückkehren konnte, um den
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