Der Schwarm
Lichtblitz ausgesandt. Viele Meeresbewohner taten das, Kopffüßer, Medusen, Tiefseefische. Dennoch war Anawak überzeugt, diesem Blitzen wiederbegegnet zu sein, als er mit Ford die Aufnahmen des URA betrachtet hatte. Die leuchtende Wolke war ungleich größer als das Ding, aber was sich in ihrem Innern abspielte, erinnerte ihn auf frappierende Weise an sein Erlebnis unter dem Rumpf der Barrier Queen. Falls es sich wirklich um ein und dieselbe Lebensform handelte, wurde es allerdings erst richtig spannend. Denn das Zeug in den Köpfen der Wale, die Substanz vom Rumpf des Schiffes und das geflohene Wesen schienen identisch zu sein.
Die Wale sind nur der Teil des Problems, den wir sehen.
Er schaute sich mit erhöhter Wachsamkeit um und sah ein Stück abseits mehrere Geländewagen vor einer Baracke parken. Die Fenster des Gebäudes waren erleuchtet. Er blieb stehen. Es waren Militärfahrzeuge. Was tat das Militär hier? Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er mitten auf dem hell erleuchteten Platz stand, und er lief geduckt weiter. Erst am Rand des Trockendocks verharrte er. So sehr beschäftigte ihndas Vorhandensein der Militärfahrzeuge, dass er einige Sekunden lang in das Becken starrte, ohne recht zu begreifen, was er sah. Dann weiteten sich seine Augen vor Erstaunen. Er vergaß die Fahrzeuge und trat näher heran.
Das Dock war geflutet.
Die Barrier Queen lag keineswegs auf dem Trockenen. Wo man den Kiel auf den Pallen hätte sehen müssen, rippten sich winzige Wellen. Der Wasserspiegel lag mindestens acht bis zehn Meter über der Docksohle.
Anawak ging in die Hocke und starrte auf das schwarze Wasser.
Warum hatten sie es eingelassen? War die Reparatur des Ruders vollendet? Aber dann hätten sie die Barrier Queen ebenso gut raussetzen können.
Er dachte nach.
Und plötzlich wusste er, warum.
Vor Erregung ließ er die Schultertasche so schnell heruntergleiten, dass sie geräuschvoll aufschlug. Erschrocken blickte er den verlassenen Pier entlang. Der Himmel verdüsterte sich zusehends. Flutlichter erstrahlten entlang des Docks in kaltem Weißgrün. Er lauschte auf Schritte, aber außer den Geräuschen der Stadt, die der Wind herüberwehte, war nichts zu hören.
Jetzt, da er das geflutete Becken sah, kamen ihm plötzlich Zweifel, ob er nicht einen Fehler beging. Seine Verärgerung über die Geheimnistuerei des Krisenstabs hatte ihn hergeführt, aber wer war er, dessen Entscheidungen in Frage zu stellen? Es war eine Rambo-Aktion, die er hier durchzog, möglicherweise eine Nummer zu groß für ihn. Darüber hatte er zuvor nicht nachgedacht.
Andererseits war er nun mal hier, und überhaupt – was sollte passieren? In zwanzig Minuten würde er ebenso unbemerkt verschwunden sein, wie er hergelangt war. Um einiges klüger.
Anawak öffnete die Sporttasche. Sie hielt alles bereit. Er hatte die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, tauchen zu müssen. Hätte die Barrier Queen im Schwimmdock gelegen, wäre es sinnvoll gewesen, sich vom offenen Wasser her zu nähern. Aber so war es natürlich einfacher.
So war es perfekt!
Er entledigte sich seiner Jeans und der Oberbekleidung, holte Maske, Flossen und Stablampe hervor und einen Sammelbehälter, den er um seine Hüften schnallte. Die Messertasche am Bein komplettierte die Ausrüstung. Atemluft würde er nicht brauchen. Die Tasche verstaute er unter einem Poller. Die Ausrüstung unter den Arm geklemmt, eilteer am Becken entlang, bis er zu einer schmalen, abwärts führenden Steigleiter gelangte. Er warf einen letzten Blick über den Pier. Aus der Baracke drang unverändert Licht. Niemand war zu sehen. Schnell und geräuschlos lief er die Gitterstufen abwärts, streifte Maske und Flossen über und ließ sich ins Wasser gleiten.
Schneidende Kälte fuhr ihm in die Knochen. Ohne Neoprenschutz musste er sich beeilen, aber er hatte ohnehin nicht vor, lange unten zu bleiben. Mit kräftigen Flossenschlägen, die Stablampe eingeschaltet, tauchte er ab und strebte dem Kiel zu. Das Wasser war um einiges klarer als bei seinem Tauchgang im Hafenbecken, und er sah den stählernen Rumpf deutlich vor sich. Das Licht der Lampe ließ den Anstrich kräftig rot aufleuchten. Er strich mit den Fingern über die Oberfläche, verharrte einen Moment, stieß sich ab und schwamm weiter.
Nach wenigen Metern verschwand die Bordwand unter dichtem Muschelbewuchs.
Fasziniert paddelte er weiter. Der Kiel war unverändert dick verkrustet. Nachdem er rund die Hälfte der Distanz zum Bug zurückgelegt
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