Der Schwarm
hatte, schien es ihm fast, als habe der Bewuchs sogar noch zugenommen. Das war es also. Sie hatten ihn überhaupt nicht entfernt. Sie erforschten das Zeug und alles, was noch darin stecken mochte, direkt am Schiff. Darum lag die Barrier Queen im Trockendock, weil man es im Gegensatz zu einem Schwimmdock hermetisch abriegeln konnte, sodass nichts ins Meer entwich, was nicht entweichen sollte. Sie hatten die Barrier Queen zu einem Laboratorium umfunktioniert. Und damit, was daran haftete und darin lebte, weiterleben konnte, hatten sie das Dock geflutet.
Schlagartig wurde ihm nun auch klar, was die Militärfahrzeuge zu bedeuten hatten. Wenn Nanaimo als ziviles Institut aus der Sache raus war, konnte das nur eines bedeuten. Die Armee hatte die Forschungen an sich gerissen. Alles Weitere lief unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Anawak zögerte. Wieder meldeten sich Zweifel, ob er das Richtige tat. Noch war Zeit, sich davonzumachen. Dann verwarf er den Gedanken. Lange würde er nicht brauchen. Rasch zog er das Messer heraus und begann, Muscheln abzusäbeln. Er achtete darauf, die Schalen nicht zu beschädigen, löste die Tiere, indem er die Klinge behutsam unter den muskulösen Fuß schob und mit einem Ruck abhebelte, konzentriert und systematisch. Eine Muschel nach der anderen wanderte in die Sammelbox. Gut so. Oliviera würde ihm um den Hals fallen.
Der Drang einzuatmen wurde übermächtig. Anawak steckte das Messer weg und tauchte auf, um Luft zu holen. Kühl drang sie in seineLungen. Über ihm ragte dunkel und steil die Bordwand empor. Er atmete mehrmals kräftig durch. Als Nächstes würde er eine Stelle suchen, die jener glich, aus der ihm das aufblitzende Ding entgegengekommen war. Vielleicht verbargen sich ja noch weitere dieser Wesen im Bewuchs. Diesmal würde er vorbereitet sein.
Als er eben wieder abtauchen wollte, vernahm er leise Schritte.
Er drehte sich im Wasser und spähte die Wand des Beckens hoch. Zwei Gestalten gingen dort entlang, auf halber Strecke zwischen zwei Flutlichtmasten.
Sie schauten nach unten.
Lautlos ließ er sich unter die Oberfläche sinken. Vermutlich der Wachdienst. Oder zwei späte Arbeiter. Sicher gab es eine Menge Leute, die Grund hatten, um diese Zeit hier entlangzugehen. Er würde darauf zu achten haben, wenn er das Becken wieder verließ.
Dann fiel ihm ein, dass sie den Schein seiner Lampe unter Wasser sehen konnten.
Er schaltete sie aus. Dunkelheit umfing ihn.
Wie dumm. Wo waren die beiden entlanggelaufen? Sie gingen in Richtung Heck. Vielleicht konnte er zum Bug schwimmen und seine Untersuchung dort fortsetzen. Mit gleichmäßigen Flossenschlägen machte er sich auf den Weg. Nach einer Weile kam er wieder hoch, drehte sich auf den Rücken und sog Luft in sich hinein, den Blick auf die Kaimauer gerichtet, aber niemand war zu sehen.
Auf Höhe des Ankers ließ er sich wieder nach unten sinken. Seine Finger ertasteten vorsichtig die Bordwand. Auch hier bildeten die Muscheln bizarre Wucherungen. Er suchte nach einem Spalt oder größeren Vertiefungen, fand aber nichts Derartiges. Das Beste würde sein, die Box mit weiteren Muscheln zu füllen und schleunigst wieder zu verschwinden. In seiner Hast schnitt er die Tiere jetzt weniger sorgfältig ab. Seine Hände zitterten. Diese ganze Aktion war der Plan eines Dilettanten, das wurde ihm deutlich bewusst. Ihm war schrecklich kalt, seine Fingerspitzen hatten jedes Gefühl verloren.
Seine Fingerspitzen ...
Plötzlich fiel ihm auf, dass er sie sehen konnte. Er schaute an sich hinab. Auch seine Arme und seine Beine. Sie leuchteten. Nein, das Wasser hatte zu leuchten begonnen. Es fluoreszierte in tiefdunklem Blau.
Mein Gott, dachte Anawak.
Im nächsten Moment blendete ihn grelles Licht. Instinktiv riss er die Arme hoch und schirmte seine Augen ab. Lichtblitze. Die Wolke. Was geschah mit ihm? Worauf hatte er sich bloß eingelassen?
Aber es war kein Lichtblitz. Das grelle Licht blieb. Anawak erkannte, dass er von einem Unterwasserscheinwerfer angeleuchtet wurde. Weitere Scheinwerfer flammten entlang der Docksohle auf. Sie tauchten den Rumpf der Barrier Queen in harte Helligkeit. Deutlich sah er die furchigen, hügeligen Krusten aus Muscheln und erschauderte.
Das galt ihm. Sie hatten ihn entdeckt!
Einen Moment lang wusste er nicht, was er tun sollte. Aber es gab nur einen Weg. Er musste versuchen, zurück ans Heck zu gelangen, dorthin, wo die Stiege nach oben führte und wo seine Tasche auf ihn wartete. Mit klopfendem Herzen
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