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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Millionen Schiffsbewegungen verzeichnen die Ozeane, Randmeere, Kanäle und Meerengen. Angesichts dessen mag es übertrieben erscheinen, vom gelegentlichen Untergang eines Supertankers oder Containerfrachters auf eine ernsthafte Krise der Seeschifffahrt zu schließen. So leicht lässt sich niemand davon abschrecken, noch den letzten Rosthaufen mit Öl zu füllen und auf Fahrt zu schicken. – Nebenbei, die meisten der rund 7000 Öltanker weltweit befinden sich in einem miserablen Zustand. Über die Hälfte davon tut seit mehr als 20 Jahren Dienst, viele der Supertanker kann man getrost als schrottreif bezeichnen. Da wird einiges in Kauf genommen. Die Katastrophe ist potenziell, aber geläufig. Man beginnt zu rechnen: Könnte es gut gehen? Man kennt die Faktoren, das Ganze wird zum Glücksspiel. Wenn ein 300 Meter langer Tanker in ein Wellental gerät, wird er in der Mitte um bis zu einem Meter durchgebogen, das zermürbt jede Konstruktion. Der Tanker fährt trotzdem, weil man sich den Ausgang der Fahrt schönrechnet.« Peak lächelte dünn. »Wenn aber völlig unerklärliche Phänomene zu Unglücksfällen führen, ist die Rechnerei dahin. Das Risiko wird unkalkulierbar. Eine ganz eigenartige Psychologie kommt ins Spiel. Wir nennen sie die Hai-Psychose. Nie weiß man, wo der Hai gerade ist, wen er als Nächstes fressen könnte, also reicht ein Exemplar, um tausende Urlauber daran zu hindern, ins Wasser zu gehen. Statistisch wäre es dem einen Menschenfresser unmöglich, dem Tourismus erkennbaren Schaden zuzufügen. Praktisch bringt er ihn zum Erliegen. – Jetzt stellen Sie sich eine Handelsschifffahrt vor, die innerhalb weniger Wochen viermal so viele Havarien zu beklagen hat wie je zuvor, ohne dass es als Folge bekannter Ursachen geschieht. Beängstigende Phänomene, für die es keine Erklärung gibt, reißen selbst Schiffe in den Abgrund, die sich nachweislich in ausgezeichnetem Zustand befanden. Nie weiß man, wen es treffen wird und wo, und was man im Vorfeld tun kann, um sich zu schützen. Man spricht nicht mehr von Durchrostung, Sturmschäden oder Navigationsfehlern – man spricht davon, gar nicht erst hinauszufahren.«
    Auf diesem Weg war Peak zu den Muscheln gelangt. Sie prangten übergroß auf dem Bildschirm. Peak deutete auf einen faserigen Auswuchs, der zwischen den gestreiften Schalen herausragte.
    »Mit diesem Fuß, dem Byssus, setzt sich die Zebramuschel gewöhnlich fest, je nachdem, wohin die Strömung sie trägt. Genauer gesagt besteht der Byssus aus einem Bündel klebriger Proteinfäden. Die neuen Muscheln haben diese Fäden zu einer Art Propeller weiterentwickelt. Das Prinzip erinnert flüchtig an die Fortbewegungsweise von Pfiesteria piscicida. Konvergenzen sind aus der Natur bekannt, aber sie vollziehen sich über Jahrtausende und Jahrmillionen. Diese Muscheln sind entweder bislang nicht in Erscheinung getreten, oder sie haben sich die neuen Fähigkeiten über Nacht zugelegt. Das spräche für eine rapide Mutation, denn in vielerlei Hinsicht sind es immer noch Zebramuscheln, nur dass sie sehr genau zu wissen scheinen, wo sie hinwollen. Beispielsweise blieben die Seekästen der Barrier Queen frei, aber das Ruder war gleichmäßig bedeckt.«
    Peak berichtete von den Umständen der Havarie und vom Angriff der Wale auf die Schlepper. Auch wenn die Barrier Queen davongekommen war, hatte sich gezeigt, wie effektiv die Strategie des Zusammenwirkens zwischen Muscheln und Walen funktionierte – ebenso wie die zwischen Grauwalen, Buckelwalen und Orcas.
    »Das ist doch Wahnsinn«, sagte ein Oberst der Bundeswehr aus dem Hintergrund.
    »Keineswegs.« Anawak drehte sich zu ihm um. »Es hat Methode.«
    »Völliger Blödsinn! Wollen Sie behaupten, Muscheln hätten sich mit Walen abgesprochen?«
    »Nein. Aber es ist dennoch eine Zusammenarbeit. Wenn Sie solche Attacken erlebt hätten, würden Sie anders darüber denken. Unserer Meinung nach hatte der Angriff auf die Barrier Queen lediglich die Funktion eines Tests.«
    Peak drückte die Fernbedienung, und das Bild eines auf der Seite liegenden Riesenschiffs erschien. Sturm trieb haushohe Wellen über den Rumpf. Peitschender Regen verschleierte die Sicht.
    »Die Sansuo, einer der größten japanischen Autotransporter«, sagte Peak. »Die letzte Fracht waren Schwerlaster. Das Schiff geriet vor Los Angeles in einen Muschelschwarm. Ebenso wie auf der Barrier Queen fraß sich das Ruder fest, aber diesmal herrschte hohe See. Die Sansuo wurde backbord von einer riesigen

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