Der Schwarm
heckwärtigen Stahlwand, die das Deck abschloss. »Das ist ein Schott, nicht wahr?«
»Genau«, schmunzelte Roscovitz. »Wir können die Heckklappe der Independence absenken und das Schiff tiefer legen, indem wir die achterlichen Ballasttanks fluten. Meerwasser dringt ein, und schon haben wir einen hübschen Hafen, komplett mit Einfahrt.«
»Netter Arbeitsplatz. Gefällt mir.«
»Täuschen Sie sich nicht. Normalerweise drängen sich hier Landungsboote aneinander, Schwerlastschlepper und Hovercrafts. Aus einer großen Halle wird im Nu ein enger Affenstall. Aber für diese Mission mussten wir ohnehin alles umkrempeln. Sie erfordert keineLandungsboote. Wir brauchten ein Schiff, das schwer genug ist, um nicht durch irgendwelches Viehzeug versenkt zu werden, Riesenwellen verkraften kann, über das komplette Angebot moderner Kommunikationstechnologie verfügt und Platz bietet für Fluggerät und eine Tauchbasis. Es war schieres Glück, dass die LHD-8 gerade im Bau war. Das größte und mächtigste amphibische Schiff aller Zeiten, so gut wie fertig gestellt, plus die Möglichkeit, ein paar Veränderungen vorzunehmen, besser hätte es nicht kommen können. Die Werft in Mississippi ist enorm fortschrittlich. Sie konzipierten das Welldeck in kürzester Zeit um, bauten Schleusen ein und veränderten das Pumpsystem. Jetzt können wir das Becken fluten, ohne die Klappe zu öffnen. Wir brauchen sie ohnehin nur für den Fall, dass wir mit den Zodiacs raus wollen.«
Crowe sah ins Becken hinab. Zwei Leute in Neoprenanzügen standen am Rand des Bassins, eine zierliche, rothaarige Frau und ein athletisch gebauter Riese mit langer, schwarzer Mähne. Sie beobachtete, wie eines der Tiere zum Rand geschwommen kam und den Kopf aus dem Wasser steckte. Es gab keckernde Geräusche von sich. Der Riese strich ihm mit der Hand über die glatte Stirn. Einige Sekunden ließ sich der Delphin die Liebkosung gefallen, dann tauchte er wieder ab.
»Und wer ist das?«, wollte Crowe wissen.
»Sie kümmern sich um die Delphinstaffel«, sagte Anawak. »Alicia Delaware und ...« Er zögerte. »Und Greywolf.«
»Grey wolf?«
»Ja. Oder auch Jack.« Anawak zuckte die Achseln. »Nennen Sie ihn, wie Sie wollen. Er hört auf beides.«
»Wozu ist die Staffel gut?«
»Lebende Kameras. Sie bannen Film auf Magnetband, wenn sie draußen unterwegs sind. Der Hauptgrund ist allerdings, dass Delphine weit ausgeprägtere Sinne besitzen als wir. Ihr Sonar erfasst andere Lebewesen, lange bevor unsere Systeme sie sehen. Mit einigen der Tiere hat Jack schon während seiner aktiven Zeit gearbeitet. Sie beherrschen ein ausgeprägtes Vokabular. Verschiedene Pfiffe. Einen für Orca, einen für Grauwal, einen anderen für Buckelwal, und so weiter und so fort. Sie können nahezu jedes größere Lebewesen, das ihnen bekannt ist, identifizieren, außerdem Schwärme klassifizieren, und was sie nicht kennen, melden sie als unbekannte Lebensform.«
»Beachtlich.« Crowe lächelte. »Und der schöne Mann da unten mit den langen Haaren versteht tatsächlich die Sprache der Delphine?«
Anawak nickte. »Besser als unsere. Manchmal.«
Das Treffen fand im Flagg-Besprechungs- und Lageraum gegenüber dem LFOC statt. Die meisten Anwesenden kannte Crowe inzwischen persönlich oder von den Videokonferenzen. Nun lernte sie noch Murray Shankar kennen, den Chefakustiker von SOSUS, Karen Weaver und Mick Rubin, außerdem den Skipper der Independence, einen drahtigen, weißhaarigen Mann namens Craig C. Buchanan, der aussah, als habe er das Militär erfunden, sowie Floyd Anderson, den Ersten Offizier. Sie schüttelte eifrig Hände und stellte fest, dass sie Anderson mit seinem Bullennacken und den schwarzen Knopfaugen nicht mochte. Als Letzter begrüßte sie ein fettleibiger Mann, der einige Minuten zu spät kam und sehr stark schwitzte. Er trug eine Baseballkappe und Turnschuhe. Über seinen Bauch spannte sich ein knallgelbes T-Shirt mit der Aufschrift: Küss mich, ich bin ein Prinz.
»Jack Vanderbilt«, stellte er sich vor. »Ehrlich gesagt, die Mutter von E.T. hab ich mir anders vorgestellt.«
»Tochter wäre charmanter gewesen«, erwiderte Crowe trocken.
»Erwarten Sie keine Komplimente von einem, der aussieht wie ich.« Vanderbilt gluckste. »Ist das nicht wunderbar, Dr. Crowe? Sie haben endlich Gelegenheit, Ihr ganzes nutzlos in den Weltraum abgestrahltes Hoffen und Bangen in freudige Erwartung umzusetzen.«
Alle suchten ihre Plätze auf. Li hielt eine kleine Ansprache, in der sie
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